Nightrider

Wenn man nicht laufen kann und darf, dann erfindet man halt andere Aktivitäten damit einem nicht langweilig wird. So schön das Wetter noch am Montag war, so schlecht war es dann am Dienstag. Von Sonne keine Spur, Dauerregen, kalt, Nebel. Trotzdem ergab sich mir die Möglichkeit das Büro etwas früher zu verlassen. Und laut meinen Berechnungen müsste ich es dann vor der totalen Finsternis nach Hause geschafft haben. Man muss nur schnell genug sein.

Also habe ich in weiser Voraussicht schon mal meine Sachen zu Hause drapiert und den Rucksack gepackt und an die Tür gestellt. Diese Vorbereitung erwies sich als äußerst klug – ich konnte mich quasi im Vorbeigehen umziehen und dabei noch Whey inhalieren. So schnell hatte ich schon lange nicht mehr auf dem MTB gesessen. So schnell ich weg kam, so schnell musste ich auch schon wieder anhalten. Irgendwie habe ich es mit der Satteleinstellung ganz dicke. Das war schon beim vorigen MTB so. Irgendwie dreht sich immer das Rädchen von dem Schnapper in die eine oder andere Richtung, sodass dieser nicht mehr richtig schließt oder einen Tick zu locker ist. Und diese Abweichungen von wenigen Millimetern führen dann dazu, dass der Sattel über Kilometer in die Nullstellung rutscht und ich dann wie ein Frosch auf der Gießkanne hänge. Kraftübertragung gleich null. Hat dann insgesamt fünf Stopps gebraucht, bis das nicht mehr passiert ist. Vielleicht hat hier ja einer einen „Trick“ für mich?

Ansonsten beeilte ich mich. Durch diese unfreiwilligen Pausen, strich ich meine Trinkpause. Es fing wieder an zu nieseln und Nebelschwaden hüllten mich ein. In 45min war ich an der Saalburg und 25 Minuten später näherte ich mich langsam aber sicher dem Sandplacken. Hinter jeder Kurve erwartete ich Schneeberge und war dann froh, dass es doch nicht so war. Obwohl es erst 17 Uhr irgendwas war, war es dank des Wetters schon sehr sehr dunkel. Es kam mir auch niemand entgegen. Trotzdem fühlte ich mich verfolgt. Auf den letzten 3 Kilometern vor dem Sandplacken kam dann eine dünne Eisschicht ins Spiel. Ließ sich konzentriert ganz gut fahren. Ich hoffte es würde so bleiben. 500m vor dem Sandplacken die erste herbe Enttäuschung: es war noch dunkler, es nieselte immer noch, es windete sehr und das Eis wurde zu dickem Schneematsch.

Das kurze Stück Straße zum letzten Anstieg war natürlich frei von Schnee. Ich hatte ja kurz den Gedanken einfach wieder herunterzufahren, aber auf die 2 Kilometer kam es dann ja auch nicht mehr an und so richtig dunkel war es ja auch noch nicht – dachte ich. Also schön weiter, auf einem düsteren Trail mit Eisschnee-Pampe. Den letzten Kilometer musste ich die Straße hochfahren, sonst hätte ich gleich wieder schieben können. Oben angekommen habe ich dann ein Magic-Speed-Umziehen veranstaltet: Jacke aus, dünne Handschuhe aus, Fleece an, Jacke an, dicke Handschuhe an und runter! Denn mittlerweile war es selbst oben so ganz ohne Bäume nicht mehr richtig hell. Auf der Straße hatte ich nur in der Kurve unter mir einen Rennradfahrer gesehen – jedoch auf nimmer Wiedersehen.

Ich dachte noch, ich wäre ganz schlau und stecke mir die Lampe, deren Halterung übrigens kaputt ist, in die oberere Jackentasche und lasse sie rausgucken, um der angehenden Dunkelheit entgegenzuwirken. Durch das ganze Gerüttel hielt das jedoch nicht und sie flog in hohem Bogen heraus. Also ließ ich das und konzentrierte mich darauf heil diese Höllenabfahrt herunterzukommen, die aus hohem aufgeweichten Schnee, Wurzeln, Spurrinnen und mini-Pipes bestand. Das Gerutsche war recht heftig, da war schieben ja gefährlicher. Ich ließ mir Zeit, ich wollte nichts riskieren und nach dem steilen Teil kam ja der Weg zum Fuchstanz und da würde sowieso alles besser. Dachte ich.

Noch mehr Matsch, noch mehr Schnee. Wie konnte das sein. Ich war entnervt. Je tiefer ich kam, desto weniger konnte ich fahren. Einmal drehte sich mein Hinterrad ganz langsam 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn und ich konnte mich durch geschicktes Abspringen und Gehüpfe gerade noch so auf den Beinen halten. Durch den Nebel und die Dunkelheit war die Stimmung schon gespenstig und ich kam mir vor wie in einem Albtraum, da ich kaum vom Fleck kam. Ab da fing ich an mich ständig umzudrehen und war so dankbar als mir ein anderer Biker entgegenkam. Das war aber leider der letzte den ich sah. Das ganze dauerte 5km an, ehe ich wieder von „Fahren“ sprechen konnte. Und als dies der Fall war, tja da war es dann stockdunkel.

So eine Dunkelheit ist man ansonsten kaum noch gewöhnt, weil man eigentlich überall Lichtverschmutzung vorfindet. Aber nicht in den Wäldern des Taunus. Mit meinen Adleraugen konnte ich gerade noch so den Weg erahnen, musste aber trotzdem das Tempo drastisch reduzieren. Und als ich dachte es sei schwarz vor Nacht, da war es dann rabenschwarz. Als ich mich schon entschied den Rehen gute Nacht zu sagen, kam mir das letzte menschliche Wesen in Form eines Läufers mit Stirnlampe entgegen und war genau so überrascht wie ich auch, noch jemanden anzutreffen. Danach war ich forever alone im Taunus. Und verfuhr mich sogar ganz kurz, bzw. machte einen kleinen Umweg. Meine Bremsen schrieen schon einen Heavy Metal Song, der es garantiert in die Charts geschafft hätte. Das scheint das Leid der Scheibenbremsen zu sein, Nässe? Eheh. Vielleicht auch noch ein paar Tannennadeln. Wer weiß das schon so genau.

Und als ich dann ENDLICH 500 Meter vor der Haustür war, wäre ich fast noch von einem Auto über den Haufen gefahren worden. Ja klar, ich hatte kein Licht. Aber auch mit Licht wäre das gleiche passiert, weil diese Frau die da aus der Seitenstraße in die mit Flutlicht ausgeleuchtete Hauptstraße fahren wollte nämlich nur in eine Richtung schaute und das war nicht die meine. Also habe ich eine wahre Notbremsung hingelegt – Mojo heulte auf und mein Puls schoss noch einmal schön nach oben. Das Adrenalin reichte noch bis in die Badewanne.

Schmerzen hatte ich glücklicherweise keine. Ich schwor mir ich würde dass aufgrund dieser Erfahrung für diese Woche bleiben lassen, Spaß ist nämlich was anderes. Wie das morgen aussieht kann ich aber gerade leider nicht sagen 😀

— Jamie

2 Gedanken zu “Nightrider

  1. Also Jamie, ich muss schon sagen, du machst schon echt krasse Unternehmungen! Alle Achtung 🙂 Aber man sollte sich auch nicht überschätzen. Wenn man aber aus seinen Erfahungen lernt, ist es ja gut. Trotzdem finde ich es super, was du da so leistest. Auch dein Schreibstil ist sehr unterhaltsam. Man fühlt sich, als wäre man dabei gewesen – und leidet mit!
    Gruß Robert

    1. Huhu, danke dir – wenn nicht könnte mir ja langweilig werden 😉 Überschätzen kam mir einmal teuer zu stehlen, seitdem bin ich extrem vorsichtig. War aber sonst auch nie so die Draufgängerin. In letzter Zeit passiert es mir nur häufiger, dass ich denke ich kann meinem Gefühl nicht mehr so trauen, wage es dann doch und bereue es.
      Danke für die Blumen und schön dass du meinen bestimmt manchmal mehr oder weniger wirren Gedanken so gut folgen kannst 😉

      LG, Jamie

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