Warum sich Aufgeben nicht lohnt

Die vorletzte große Biketour direkt nach dem Testlauf vom Freitag, verlief insgesamt schon etwas mehr unangestrengt, als die Wochen zuvor. Etwas schwül war es, aber das sollte noch das geringste Problem dieser Ausfahrt werden. Alles fing damit an, dass wir uns um 0800 Uhr (wie Alex das immer so schön schreibt) an der Hohemark trafen. Eine halbe Stunde eher als sonst, weil Alexander um 13h schon wieder auf dem Heimweg sein musste. Also noch ein wenig eher aufstehen. Ich war echt fertig von der Arbeitswoche, aber musste, das musste eben. Einen Abend vorher dann der Bescheid: Alex würde nicht kommen, er war mit dem Crosser gestürzt und hatte seine Finger in Mitleidenschaft gezogen. Es blieb dennoch bei der Uhrzeit.

Also stand ich auf dem mehr als nur verlassenen Parkplatz der Hohemark, kurvte noch ein wenig darüber, konnte aber noch niemanden entdecken. Irgendwann fuhr ein Auto auf einen der Parkplätze und jemand hob sein Bike heraus. Sah auch etwas verlassen aus.

Was ich nicht (mehr) wusste: zumindest für diesen Tag sollten wir Zuwachs bekommen. Verdrängt, verpeilt…was auch immer. Zaghaft kam der einsame Biker irgendwann zu mir herübergerollt, stellte sich als René vor und ich konnte mein Gedächtnis wieder auffrischen. Er kam direkt vom Militär aus Frankreich und hätte jetzt erstmal wochenlang frei. Angeheuert von Gunnar über eine MTB-Gruppe in Facebook. Ich ging einfach mal von einer überragenden Fitness aus.

Irgendwann kam ich auf die gute Idee mal auf mein Handy zu schauen, denn es war immer noch niemand der anderen beiden in Sicht. Die erste der ungelesenen Nachrichten beinhaltete, dass Christian im Stau stand. Die zweite Nachricht kam von Gunnar: er hatte einen Kilometer vor der Hohemark einen Platten. Dank eines „halbherzigen“ Sprungs. Fing ja super an.

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Experten am Werk!

Eine halbe Stunde später hatten wir uns zwar alle versammelt, aber mussten uns erstmal um den Platten kümmern. Noch bevor es losging verwandelte sich der Parkplatz in eine Bikewerkstatt – René musste echt glauben wir haben sie nicht mehr alle. Ein Bild für die Götter: ein zerstreuter Christian, der ein Leck an seinem Trinkrucksack hatte, es aber nicht fand und ein Gunnar, der den Mantel nicht vom Schlauch bekam. Die Experten des Super-Gau am Werk. Das ganze dauerte so lange, dass es sich lohnte es bildlich festzuhalten. Wir beteuerten, dass das nicht unsere normale Vorgehensweise ist, eine Tour zu starten. Während Christian den Springbrunnen seiner Trinkblase identifiziert hatte, baute Gunnar zum zweiten Mal das Hinterrad raus, bis schließlich doch wieder alles passte. Der Trupp setzte sich in Bewegung, nur um nach genau zwei Kilometern wieder stehenzubleiben: Gunnar musste nochmal nachjustieren. Nahezu nach jedem Anstieg. Kurz bevor er sich für diesen Tag schon von uns verabschieden wollte, funktionierte plötzlich doch alles wieder wie es sollte. René war das Schlusslicht. Und er sah zu diesem Zeitpunkt schon so aus, als sei er froh über jeden unserer Stopps. Die Abstände wurden größer, die Anstiege länger und etwas steiler. Über Trails ging es den direkten Weg hoch zum Feldberg.

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Irgendwann mussten wir warten. Ein überanstrengter René tauchte wieder auf und murmelte: „Soso ihr fahrt also gerne Berge…“ Er war weniger fit für diese Art der Anstrengung als er glaubte. Wir warteten immer brav an jeder Kreuzung. Irgendwie biss er sich durch, sodass wir in etwas über einer Stunde doch noch zusammen auf dem Feldberg standen. Wir begleiteten ihn noch ein Stück über Trails und Wege nach unten, bevor er sich für diesen Tag von uns verabschiedete. Der ernsthafte Teil der Tour stand nämlich erst noch bevor.

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Über den Hessenpark ging es wieder über die Saalburg und wieder rauf auf den Herzberg. Das hört sich alles so kurz und knapp an, war es aber nicht. Kurz vor der Saalburg schwanden mir mal wieder die Kräfte. Christian hatte mittlerweile mehr als aufgedreht, da er mit Gunnar’s Wundertrunk über Wasser gehalten wurde, da seine Trinkblase ja leer war. Er war einfach nur weg. Und ich zu diesem Zeitpunkt immer weiter entfernt und tat mich irgendwie schwer. Ich hatte nicht mal das Gefühl Hunger zu leiden oder mit irgendwas unterversorgt zu sein. Meine Beine taten auch nicht weh, ich konnte nur einfach nicht mehr effektiv treten. Und das war echt Mist. Die letzten Höhenmeter kamen mir vor wie eine Ewigkeit und die anderen zwei unerreichbar. Was so gut anfing, endete in einem persönlichen Kampf. Vielleicht war der Lauf doch zuviel gewesen, vielleicht reichte ein Riegel nicht. Ich wusste es nicht. Der Saft war aus, soviel stand fest. Nach 54km und 1519 Höhenmetern war ich echt im Eimer. Und sowas von frustriert..schon wieder.

Ich wollte nicht mehr, ich konnte nicht mehr. Sonntag ließ ich alles Sportliche bleiben, um mich selbst nicht noch mehr zu enttäuschen.

Am Montag war ich müde. Richtig richtig müde. Es war kurz nach 5 Uhr als ich aus dem Bett kroch. Zudem war es dunkel, irgendwie feucht und alles andere als warm. Ich sattelte Mojo, während die Welt noch im süßen Schlaf versank und schleppte mich kurbelnd zur Hohemark, um von dort aus über den Stoppomat auf den Feldberg zu fahren. Ich wurde einfach nicht wach. Der Wald war dunkel und nass und ich kam einfach nicht aus dem Quark. Fühlte mich dem Ende schon viel zu nahe und wünschte mir insgeheim ich wäre schon wieder zu Hause. Pech gehabt. Nebelschwaden rollten auf mich zu, es fing an zu regnen, ein Reh sprang quer über den Weg und ansonsten war es totenstill. Ich sah nichts mehr, senkte den Kopf, der Regen prallte an mir ab. Meine Beine waren noch immer auf Standby. In Slowmotion packte ich es irgendwie zum Fuchstanz. Auf den letzten zwei Kilometern war ich drauf und dran umzudrehen. Es war mehr als nur ungemütlich. Mir graute es schon vor dem letzten steilen Abschnitt, mit viel rutschigem Geröll und irgendwie auch vor der Abfahrt. Wer A sagt muss auch B sagen. Und irgendwann war ich dann auch oben. Wahrscheinlich so langsam wie noch nie in meinem Leben. Runter peitschte mich der Wind und ich rutschte immer mal wieder. Ich sah vielleicht gerade noch 20 Meter weit und es war eiskalt. Es war die Quälerei schlechthin. Ich war direkt dankbar das Kapitel „Ausdauer“ für diesen Tag bereits abgeschlossen zu haben.

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Am Dienstag war ich müde und zwar noch viel mehr, als ich es glaubte am Montag zu sein. Bunte Lichtpunkte bei geöffneten Augen. Zu Hause wäre ich am liebsten direkt ins Bett gegangen. Aber ich schleppte mich irgendwie doch noch ins Fitnessstudio. Natürlich begleitet von der Angst beim Laufen wieder Schmerzen zu erleiden. Doch dann kam die langersehnte Wende: die Müdigkeit verflüchtigte sich und ich spürte meine Schritte kaum mehr. Laufen fühlte sich plötzlich wieder wie Fliegen an! Und die 5er Pace wie eine 6,5er. Derart beflügelt konnte ich auf den letzten beiden Kilometern noch eine Steigung und einen Sprint einbauen, sodass ich die 10 Kilometer locker in 49 Minuten hinter mich brachte. Danach war ich richtig aufgedreht. Klar, gib einem ausgezehrten Läufer mit Hunger nach Superkompensation Zucker in Form von Endorphinen mit einer gehörigen Portion Leichtigkeit. Das knallt dann doch ganz gut. Noch schnell im Hantelwald ausgetobt und im Glücksrausch nach Hause gekommen.

Am nächsten Tag war ich noch müderererer 😀 Also nichts neues unter der Sonne. Ich packte Mojo um zu einer gemütlich entspannten Hausrunde aufzubrechen – diesmal nach der Arbeit. Aus dieser Gemütlichkeit entsprang plötzlich Tempo und Übermut, sodass ich plötzlich mal wieder viel schneller oben auf dem Feldberg stand, als ich es erwartet hätte. Was war denn da plötzlich los? Ich musste einfach richtig fertig sein, damit alles besser läuft…oder so. Auch runter lief es gut, ich hatte wieder Spaß und Konzentration. Insgesamt hatte ich einen Schnitt von 17,2km/h. Ich fühlte mich irgendwie leicht gedopt.

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Donnerstag war trotz allen Übermuts ein Ruhetag eingeplant, den ich so oder so einhalten musste, denn ich wollte abends noch das Event der zwei Freaks im Frankfurter Laufshop besuchen, die vor kurzem am TranssiberianExtreme (Racing Russia) teilgenommen hatten. Um das kurz zusammenzufassen: über 9000km in 23 Tagen, mit dem Rennrad, einem Kleinbus-Konvoi als Streckenbetreuung und im Zweier-Team. Über 100 Leute waren erschienen (davon weitaus mehr Frauen als ich erwartet hätte). Die Stimmung war gut – was nicht zuletzt daran lag, dass sich die Jungs reichlich am Humor bedienten. Zumindest ist jetzt bestätigt, dass gesunde-Sportlerernährung völlig überwertet ist. Einfachzucker in den schillernsten Formen: Powerbar eingeschmiert mit Nutella. Oder Schokolade allgemein. Ich glaube Nudeln mit Gemüse war so das Gesündeste was zugeführt wurde.

Gefahren wurde auch nachts, ob mit oder ohne funktionierendem Licht, in drei-Stunden-Schichten. Niemand wusste genau von der Taktik der anderen Teams/Einzelfahrer oder wer wann eventuell am Limit wäre. Was das ganze natürlich sehr spannend macht. Die Straßen waren weitestgehend glatt, was man von Russland vielleicht nicht unbedingt erwartet hätte. Insgesamt eine Wahnsinns-Leistung und ein richtig netter Abend 🙂

Am Freitag wollte ich es noch einmal wissen: 5k-Testing auf dem Laufband. Diesmal nur ca. 500m Einlaufen und dann gleich mit 4:27 los. Dass man den ersten Kilometer noch als locker empfindet, ist ja meist so. Den zweiten vielleicht auch noch. Den dritten vielleicht nicht mehr ganz so. Aber ich spürte kaum etwas, sodass ich wirklich dachte das Laufband sei vielleicht kaputt. Aber ich machte definitiv größere Schritte. Diesmal würde ich endlich gucken, was auf 5 Kilometern überhaupt in meiner Macht stand. Nur ganz unterschwellig merkte ich noch den Schmerz im Bein. Innerhalb des letzten Kilometers konnte ich noch bis 4:00 aufdrehen, sodass ich genau 22:09min brauchte. Damit lässt sich arbeiten.

Wieso arbeite ich an meiner 5k-Zeit? Habe ich doch sonst nicht gemacht. Stimmt. Aber am 2.9. ist hier der Bad Homburger Firmenlauf angesagt und den laufen wir natürlich mit. Und da will ich gucken was geht, nachdem das beim JP Morgan Lauf aufgrund von Schmerzen und den Massen an Menschen gar nicht möglich war.

Mir zwickten zwar für einige Minuten danach die Waden, aber das gab sich am selben Abend wieder. Samstag hielt ich die Füße still und am Sonntag – soviel kann ich schon mal verraten – ging es auf ganz große Biketour, welche dieser unglaublichen Woche nur noch die Krönung aufsetzte. Was mitunter natürlich auch ein Grund ist weshalb Aufgeben nicht lohnt. Wenn man denkt es geht nicht mehr (manchmal auch über Wochen..) kommt von irgendwo ein Fortschritt her.

Dazu aber mehr im nächsten Blogpost 😉

— Jamie

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