Vom Ultra zum Dämpfer

Die letzten Wochen waren durchwachsen und stets von Umfangssteigerung und Regeneration geprägt. Nach meiner 44km-Premiere zog es mich nach einem Tag Pause Montag abends schon wieder auf die Trails. Christoph war mit von der Partie und hatte auch erst das Braveheart-Battle hinter sich. Wir starteten motiviert, wurden dann aber schon bald von unseren Beinen eines besseren belehrt. Ich spürte es schon auf den ersten Metern – moderate Steigungen fühlten sich an, als hätte man meine Waden mit Blei ausgegossen. Kurze Wandereinlagen schafften da etwas Abhilfe. Mittlerweile war es dunkel geworden und ich packte die Leuchte aus. Auf einem Trail zum Sandplacken kam dann so langsam wieder der Schnee durch, inklusive vereiester Wurzeln. Um besser sehen zu können friemelte ich während dem Laufen am Rädchen für die Leuchtkraft hinter meinem Kopf herum. Das was folgte war in etwa so: glitsch, rutsch, bumm. Und da lag ich wieder, sprang aber sofort wieder auf, sah hinter mich und stellte fest, dass Christoph noch nicht in Sichtweite war und mich somit niemand gesehen hatte 😀 Getan hatte ich mir zum Glück nichts, außer ein paar blaue Flecken mehr.

Danach war der Knoten bein-mäßig aber irgendwie bei mir geplatzt, mir ging es besser. Dennoch entschieden wir uns dagegen, Feldberg oder Altkönig auch noch mitzunehmen und ich denke das war rückblickend auch gut so. Immerhin kamen wir auf knapp 20km, wovon wir die letzten angestrengt schlitternd hinter uns brachten. Das was einst Schnee gewesen war war nun nur noch tausendfach angetaute und wieder gefrorene Pampe, die einfach nicht weichen wollte. Generell mag ich den Winter und auch den Schnee, jedoch hatten diese Zustände rein gar nichts mehr mit einem Winter-Wonderland zu tun.

Darauf folgte wieder ein Ruhetag und es wurde der Begriff „Vaunus“ geprägt. Dieser basiert auf der Vernunft, vor allem an Tagen der Regeneration. Da sollte man eigentlich nicht im Taunus laufen gehen, im Vaunus ist das jedoch prinzipiell möglich, denn was im regenerativen Vaunus geschieht, bleibt auch im Vaunus. Seitdem birgt der OCR die „Crazy Vaunus Runners“, sobald mal wieder was ausufert 😀

Speedcross3 on Trails

Man könnte mittlerweile fast schon meinen ich bin die Trailschuh-Schlampe vom Dienst. So viele Schuhe habe ich noch nie getestet, aber ich war auch nie so richtig zufrieden. Nun war der sagenumwobene Speedcross3 an meinen Fuß gekommen, während ich mit Wolfgang und Tim („Wir laufen so lange hoch bis wir keine Lust mehr haben und dann noch weiter hoch…“) afterwork im Wald verschwand. Ich war unfähig zu differenzieren, ob ich einfach nur schwere Beine hatte oder die Schuhe einfach wie Klötze an mir hingen, zumindest im Vergleich zu den Inov8.

Es hatte mal wieder geschneit, aber das meiste war einfach nur vereist. Mein Fuß wurde leider auch in diesen Schuhen wieder taub. Den einzigen Vorteil den ich sah, war die Schnürung, denn diese muss man nicht binden, sondern wird einfach zugezogen. So konnte ich quasi im Laufen die Schnürung lockern und downhill wieder anziehen.

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Über die steile und vereiste Zwierbelkieferschneise (berühmt berüchtigtes Segment bei Strava..und ja ich bin jetzt auch dort vertreten) ging es schnurstracks auf den Feldberg. Oben herrschte Eiszeit. Es war so bitterkalt und der Wind blies tausend kleine Eiskristalle durch unsere Lichtkegel. Die Schuhe hatten zwar super Grip, aber ich fühlte den Untergrund einfach nicht mehr. War dieser spiegelglatt, half natürlich auch das gröbste Profil nichts mehr. Als wir aus dem Schnee kamen und über einen Wurzel-Geröll-Trail zur Hohemark liefen, eckte ich ständig irgendwo an oder trat auf Wurzeln oder Steine die eher ungünstig waren. Mir ging jegliches Feingefühl verloren und im entsprechenden Schnecktempo erreichte ich dann das Ende des Trails. Mein Fazit: im Schnee super, aber nicht unbedingt auf anspruchsvollen Trails mit wechselndem Untergrund. Durch die nicht unausgeprägte Sprengung steht man mit der Ferse sehr hoch, was zwar bergan manchmal angenehm sein kann, aber mir nicht das Gefühl gab „geerdet“ zu sein. Ich machte auch hier wieder die Erfahrung mehr Schmerzen im Hüftbeuger zu provozieren, als wenn ich sehr flach stehe und dazu wenig gedämpft bin. Ich würde sagen, für mich eher ein Winterschuh, aber keiner den ich beim ZUT tragen würde.

Ladies Run…+ Mirco

Um den Vaunus zu feiern zogen Esther, Emilia und ich Donnerstag abends los. Mirco durfte uns begleiten, musste aber aufpassen, dass er sich auch benahm 😉 An diesem Tag spürte ich erst so richtig die Auswirkungen der vergangenen Woche. Wäre es nicht so unglaublich lustig gewesen, hätte ich wahrscheinlich nicht so gut durchgehalten, denn alles in allem war ich einfach nur müde und unkonzentriert und das ist wahrlich keine gute Mischung. Die Steigungen fingen gemäßigt an, aber als es zum ersten Hang kam, waren meine Waden komplett dicht, sodass ich oben erst einmal stoppen musste. Es war zwar schon wieder etwas länger hell als gewöhnlich, jedoch kamen wir auch dieses mal um die Stirnlampen nicht herum. Auf den Trails zum Herzberg musste ich so richtig kämpfen und zu allem Überfluss wurde mein linker Fuß komplett taub, sodass ich rein gar nichts mehr spürte und fast schon wieder gefallen wäre. In mir fing sich der Frust an zu stauen. Doch da entdeckten wir das letzte bisschen Schnee in Skulpturähnlicher Form, präsentiert auf einem Baumstumpf. Wären wir nicht total vernünftig, verrückt und im Vaunus gewesen, so hätten wir mit Sicherheit auch kein Bild gemacht, auf dem wir wie vier Irre um den Baumstumpf hockten und versuchten den homöopathischen Überrest von Schnee anzulecken. Denn wer’s anleckt darfs behalten!

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Ein paar Meter weiter schmissen wir uns dann noch provokativ in die letzten drei Meter flächigen Schnee am Wegesrand, um das Revier mit Schneeengeln zu markieren.

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Auf dem Herzberg angekommen liefen wir noch den Turm hinauf, schalteten die Leuchten aus und genossen den Wahnsinns-Blick über den Taunus.

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Über die Telegrafenschneise ging es wieder hinab – jedoch war diese kaum laufbar, denn irgendwelche richtig Irren hatten ganze Arbeit geleistet, um den Trail für Mountainbiker und Läufer zu versauen. Überall lagen Baumstämme und dichtes Geäst. Es fanden sich auch zerbrochene Bierflaschen. Wir schnappten uns ein paar dicke Äste, aber das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Wo ist der Stock, wo ist der feine Stock?“ Esther hatte einen ganz besonders feinen Stock..äh Baumstamm gefunden – ein bisschen Spaß muss sein!

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Nach knapp 13km war ich dann aber irgendwie wieder doch ganz froh am Auto zu sein und ich schwor mir die nächsten zwei Tage die Füße komplett still zu halten, denn wir hatten am Sonntag schon wieder leicht was vor.

40. Lauf rund um den Winterstein

Zwei Tage an Schonzeit waren bitter nötig, denn ich war muskulär richtig ausgezehrt und Hamstring und Gluteus zwickten Samstag Abend irgendwie noch immer. In weiser Voraussicht klebte ich alle Stellen mit Tape ab, was die Sache schon etwas angenehmer machte. Ich überlegte zwar auch, auf den Start zu verzichten, aber da wir die 30km eigentlich als Trainingslauf laufen wollten, stand ich trotzdem Sonntag morgens um viertel vor 8 zusammen mit Esther und Mirco bei Christoph auf der Matte.

Es war mal wieder kalt geworden und ich konnte nicht verstehen, wie mir überhaupt der Gedanke in den Sinn kam in T Shirt zu laufen. Zum Glück hatte ich dann doch noch etwas langärmliges darunter gezogen…

Bis zum Start war es noch hin, denn wir waren überpünktlich. Doch das habe ich lieber als alles in letzter Sekunde bewerkstelligen zu müssen und wach werden muss man ja auch noch. Wir holten die Startnummern und beschlagnahmten im OCR-Pulk einen Tisch, den wir erst wieder verließen, um uns warmzulaufen.

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Kaltkaltkalt. So unaufgeregt und gelassen bin ich noch nie über die Startlinie gelaufen. Der Plan hieß: wir laufen das Ding in einer 5:20er Pace. Also unter 2:45h. Haben sie gesagt 😉 Als Tim mir nach dem ersten Kilometer mitteilte, dass wir bei 4:30 lagen und nach ca. 3 Kilometern der erste Anstieg kam, ließ ich den Abstand immer größer werden. Ich bin in der Lage einen Halbmarathon einzuschätzen, aber keine 30km mit über 400HM im WK-Modus. Schon gar nicht aus dem vollen Training heraus. Denn die letzten Wochen gingen alle über 80km hinaus und setzten sich zwar aus weniger Trainingstagen, dafür aber aus mehr Umfang zusammen.

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Es ging rauf und runter. Da der Lauf keine Trails beinhaltete, konnte man in normalen Straßenlaufschuhen laufen. Dumm nur, dass ich die in welchen lief, die ich schon 1-2 Jahre nicht mehr bemüht hatte und eigentlich gar nicht mehr recht wusste, wie diese sich bei längeren Läufen so auswirken. Meine eigentlichen Lunarglide wollte ich auch nicht mehr laufen, weil ich mit denen nur noch Schmerzen hatte, daher der Kompromiss. Ich kann schon mal vorwegnehmen: ich habe mir derbste Blasen gelaufen.

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Immer wenn es bergab ging, wurde mein Bein präsenter. Ansonsten fühlte ich mich erschreckend gut, ich kam leicht vom Fleck und fühlte mich nicht am Anschlag, fürchtete aber den Moment, an dem mir die Energie möglicherweise schwinden würde. Bis Kilometer 15 war ich quasi alleine unterwegs, als Juliane plötzlich mit mir gleichzog und wir am Zaun des Militärgeländes von Wehrheim entlang liefen. Ich kam noch mit ein paar anderen Läufern ins Gespräch, da einer anscheinend schon die letzten Kilometer versuchte an mir dran zu bleiben – mein erster offizieller Verfolger 😀

Weitere zwei Kilometer später wagte ich es, mal einen halben Becher Iso zu testen. Der Test war leider nicht gut, ich verfluchte meine Entscheidung, mein Magen rebellierte, mir ging es elend, ich wurde langsamer und ließ Juliane und meinen Verfolger ziehen – jedoch noch in Sichtweite. Nach 22 Kilometern hatte sich alles wieder weitestgehend beruhigt, jedoch verhärtete mein Oberschenkel immer mehr und machte mir das Leben echt zur Hölle. Ich fing an unrund zu laufen. Das Schlimme war: es ging nur noch bergab und der Großteil davon verlief nur noch auf Asphalt. Jeder Schritt strafte den Muskel nur noch mehr, sodass ich plötzlich bergab langsamer war, als bergauf. Als ich von Wolfgang überholt wurde, wurde mir bewusst, dass mein Zeitkonto immer unausgeglichener wurde. Ich wollte nur noch ankommen, ganz egal wie. Einen Schritt nach dem anderen.

Die letzten 3 Kilometer waren meine persönliche Beerdigung. Als ein anderer Läufer neben mir auftauchte und fragte: „Und wo tuts bei dir weh?“, wusste ich, dass ich ziemlich durch die Gegend eiern musste. 1,5 Kilometer später wurde ich von ruthisophia (siehe instragam) überholt und noch gefragt, ob ich Traubenzucker bräuchte, ich sah wohl nicht mehr ganz so gut aus. Doch dieser hätte meinem Bein auch nicht geholfen. Also Zähne zusammenbeißen und weiter. Es schien einfach nicht zu enden. Die letzten Straßen, die letzte Brücke, der letzte Feldweg, der direkt und schnurgerade ins Ziel führte. Nochmal beschleunigen und nach 2:43:45h wieder stehen bleiben.

Ich setzte mich an den Rand und es tat einfach nur weh. Ich war absolut verwirrt im Kopf. Um meine Beine nicht zur Salzsäule werden zu lassen, zwang ich mich noch einmal um den Block zu laufen. In mir kochte mal wieder der Frust, dass ich hätte eine bessere Zeit laufen können, da es mir konditionell absolut möglich gewesen wäre. Andererseits wurde mir mit klarem Kopf wieder bewusst, dass es eigentlich nur ein Trainingslauf war und ich mich nicht so sehr verballert hatte, dass mein Muskel dabei geschädigt worden wäre. Ich hatte es mir nicht einfach gemacht, das eigentliche Zeitziel erreicht und wieder einige Erfahrungen gesammelt.

Überraschenderweise wurde ich zweite in meiner Altersklasse und ruthisophia landete mit etwa einer Minute Vorsprung auf dem ersten Platz. Mein Bein fühlte sich zwar wieder etwas besser an, aber ansonsten war ich noch total verpeilt und hatte einfach nicht damit gerechnet nach vorne zu müssen. Erst nachdem ich zu Hause war, wurde mir bewusst, dass wir uns ja eigentlich von instagram „kennen“ bzw. mal „gelesen“ hatten. Das nächste Mal: Augen auf beim Wintersteinlauf.

Esther und die anderen hatten richtig Gas gegeben, sodass für sie der erste Platz ihrer AK mit 2:25h heraussprang. Ballern vom Feinsten!

Die Tage danach

…verbrachte ich mit einigen freien Tagen – schlafend. Die Lust auf Laufen war nicht mehr vorhanden.

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Den Montag kam ich gar nicht mehr zu mir, am Dienstag auch noch nicht so recht, dafür wanderten wir aber durch den Opel Zoo und am Mittwoch war ich auf Familienbesuch im Schwarzwald. Im Gepäck Trailschuhe und Reitstiefel. Dort kam ich glücklicherweise wieder runter und konnte mich total erholen.

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Ich lief vier Tage in Folge nicht und das tat mir mal wirklich gut. Auch dass ich mal wieder auf dem Pferd sitzen konnte hat mir viel gegeben. Bis jedoch auf dieses hinaufkam, musste ich erstmal in die stocksteifen Lederstiefel. Das funktionierte rechts ganz gut, links hatte ich dabei jedoch heftige Schmerzen im Fuß, sodass ich erstmals wieder so richtig darauf aufmerksam wurde und mir dann doch ein paar mehr Gedanken machte als üblich.

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Schwarzwald verschärft

An meinem letzten Tag plante ich ein paar Trails auszukundschaften. Da ich absolut keine Ahnung hatte wie ich laufen sollte, hatte ich die Möglichkeit mir ein Garmin Navi zu leihen und einen Track von gpsies aufzuspielen. Leider schüttete es aus Eimern und ich überlegte kurz, es besser bleiben zu lassen. Doch diese Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen. Ich hatte mich dumm und dämlich gesucht, bis ich eine Route fand die one-way irgendwo auf einen Berg raufführte und dort endete, sowie gleichzeitig von der anderen Seite mit dem Auto zu erreichen ist, denn ich wollte mich dort mit meiner Mutter und ihrem Mann treffen. Letzten Endes fuhren wir mit dem Auto so weit es ging an den Startpunkt in Zell am Harmersbach heran, ich stieg im strömenden Regen nebst der Pampa aus, das Auto entfernte sich wieder und ich lief los. Zunächst ging es ca. einen Kilometer auf befestigtem Weg bergab, dann querte ich eine Straße und auf der anderen Seite führte ein Weg stetig nach oben direkt in den Wald.

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Als ich in diesen eintauchte, stand ich wenig später direkt vor einer Wand. Es war sofort so steil, dass meine Waden ihren Dienst verweigerten. Es wurde warm und ich machte kurz Halt, um mich von der zweiten dünnen Jacke unter meiner Regenjacke zu befreien. Ich musste mich rückwärts zum Berg stellen, um dieses schreckliche Ziehen in den Waden wieder loszuwerden. Es ging so ziemlich genau 153HM auf dem nächsten Kilometer nach oben. Nach dem ersten Drittel entschied ich mich für schnelles Wandern, denn ich wusste nicht was noch folgen würde und mir war echt mulmig so alleine im Wald. In mir keimte die Angst es nicht zu schaffen. Ich dachte an den ZUT. Doch irgendwann kam der Punkt, an dem ich mich an die Anstiege gewöhnte und plötzlich hörten auch die Waden auf zu meckern. Mit dem Navi in der Hand bugsierte ich mich immer tiefer in den Wald hinein – auf Wurzeltrails und auch im tiefsten Matsch.

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Lost

Dem Track zu folgen war super anstrengend, sodass ich immer wieder stehen bleiben und mich im Kreis drehen musste, um zu sehen, ob ich noch in die richtige Richtung lief. Dann spuckte mich der Wald wieder aus und ich kam im prasselnden Regen über matschige, sandige und steinig-glitschige Anhöhen zum nächsten Waldabschnitt. Dort begegneten mir noch ein paar Wanderer und dann war es das mit Zivilisation. Mein Fuß wurde so taub, dass ich die Schnürung extrem lockern musste und selbst das half nur bedingt etwas.

Mein Salomon-Schnäppchen alias Regenjacke hielt was sie versprach. Dann verlor ich das GPS und meine Route war einfach weg, sodass ich das Gerät nochmal neu starten musste. Und dann kam es wie es kommen musste: ich befand mich optisch ein paar Millimeter neben dem Track und egal wie ich mich drehte und wendete, es änderte sich nichts daran. Über mehr als nur Trampelpfade und ganze umgestürzte Tannen erreichte ich plötzlich das Schwarzwald-Nirvana. Vor mir tat sich ein Hang auf der so abschüssig war, dass mir echt der Puls ging. Ich hatte nun zwei Möglichkeiten: ich lief den ganzen Weg bis zum Waldanfang zurück und probierte einen neuen, oder ich kletterte diesen Hang irgendwie im Slalom herunter. Ich entschied mich für letzteres, da ich glaubte ich könne mich noch an ein paar Bäumchen festhalten. Das ging so lange gut bis eine Passage kam die drei Meter losen grobkörnigen Sand enthielt und rein gar nichts woran ich mich hätte festhalten können. Mein Fuß fand keinen Halt im Sand und ich wusste dass ich mir dabei keine Zeit lassen durfte, wenn ich keinen Genickbruch riskieren wollte. Dieses Unterfangen war extrem leichtsinnig, das möchte ich mal an dieser Stelle sagen – und hätte ich mich nicht so schnell wieder abgestoßen wäre es schief gegangen. Das war ein Gefälle mit bestimmt 85% und an die 200 Meter bis zum normalen Waldweg. Anders als in der Hocke ging das gar nicht mehr und ich war heilfroh als ich bis zu den Waden im fließenden Matsch-Schneeschmelz-Wasser versank und dadurch gehalten wurde, ehe ich wieder den Track mit Puddingbeinen erreichte.

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Zwei Kilometer später stellte ich fest, dass ich dennoch im Kreis gelaufen war und ich hätte abwärts laufen müssen. Und zwar nochmal so richtig abwärts. Als ich auch das überwunden hatte, hörte es zeitweise mal mit dem Regen auf und ich erreichte das nächste Dorf, um danach dem Berg ins Auge zu sehen. Aber auch hier war ich nicht mehr so ganz auf dem Track und verlor bis zum Zielpunkt noch mindestens fünf Mal das GPS und musste neustarten. Auf diesem Teil der Strecke war das aber nicht weiter schlimm, so musste ich lediglich sehr steile Almwiesen im wieder einsetzenden Regen und starkem Wind hinauflaufen, um zum Anstieg der Anstiege den Brandenkopf zu erklimmen.

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Wer findet mich am Horizont? 😉
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Schneegrenze

Die letzten 7km glichen den letzten 200 Meter des Feldbergs und plötzlich kam ich in den Schnee und es wurde knackig kalt. Der Regen verwandelte sich auf den letzten 2-3 Kilometern in einen Schneesturm und ich wollte nur noch ankommen, ging fünf Meter und lief wieder ein paar bis ich endlich die Hütte des Brandenkopfs erreichte und quasi mit dem Schnee durch die Tür fiel. Meine Mutter hat mich noch nie so angesehen wie in diesem Moment und das erste Mal kam da ein wenig Stolz zu mir rüber geweht. Vielleicht sehen wir uns einfach zu wenig, denn erzählen kann man viel…

1320 Höhenmeter und 19.6 Kilometer standen auf der Uhr. Ich war so unendlich zufrieden und Tee, Salat und Käsespätzle schmeckten noch nie so gut.

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Crazy Vaunus Runner 50km Trainingslauf

Den Samstag schön regeneriert, um am Sonntag nochmal in die Vollen zu gehen. Wenn man sonst nichts zu tun hat lässt man einen 46km Lauf planen und läuft dann an die 50km.

Mit leichtem Muskelkater, Respekt und Vorfreude sammelten Esther, Dominic, Bert und ich uns an der Hohemark. Erneut Grenzen verschieben war für mich angesagt. Die ersten 10 Kilometer ging es leicht bergab, über den Hardtwald dann wieder bergan, jedoch fühlte ich mich überraschend frisch und verlor Schritt um Schritt das Gefühl für Zeit und die Distanz. Ich konnte sogar erstmals im Laufen etwas essen, das wäre mir normalerweise wieder zu den Ohren herausgekommen. Über Wehrheim und Neu-Anspach ging es meist asphaltiert munter plaudernd weiter.

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Meine Beine und ich hätten sich insgeheim mehr Waldwege gewünscht, aber da mussten wir nun durch. Nach 27km fing ich etwas an zu schwächeln, es ging immer latent bergan, meist über Straßen und nach 31km machten wir zum Glück kurz an einer Tankstelle Halt. Ich war nicht mehr im Stande laufend zu essen und Esther musste Wasser nachfüllen. Der Regen hörte zwischenzeitlich kurz auf.

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Gute Miene zum bösen Spiel machen. Ich wusste der Einbruch würde irgendwann kommen, aber er würde irgendwann auch wieder gehen. So wurde es zu einem Wechselspiel zwischen „ich kann nicht mehr“ und „oh, es geht wieder“. Tendenziell wurden wir bzw. ich, immer langsamer, sodass mir eine 6er Pace plötzlich flott vorkam.

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Nach ca. 37km füllten wir an einem Friedhof unsere leeren Trinkblasen wieder auf. Meine Beine hatten wieder kurz Pause und mein Kopf etwas Zeit sich auf die letzten Kilometer einzustellen. Gespräche führen wurde für mich ziemlich schwer. Als wir den Marathon im Kasten hatten, wurde es Zeit für ein Gruppenbild unter der Siegessäule. Danach wieder anzulaufen war ziemlich schwer, aber auf 3,2,1..funktionierte es doch ganz gut.

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Das Bergab machte meinen Beinen wieder zu schaffen und zwischen Kilometer 45 und 47 war mir wirklich anders im Kopf. Das letzte Stück zur Hohemark ging dann wieder, sodass ich noch ein paar Runden auf dem Parkplatz drehte, um über die 49 zu kommen, während Esther geduldig am Auto wartete.

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Die letzten 3 Kilometer..

Schon eigentlich ein wenig verrückt, aber hatte einfach verdammt Spaß gemacht und ich habe noch nie so wohlverdient und zufrieden zu Hause auf der Couch gehangen 😀

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Die Strecke

Der Dämpfer

Den Tag danach besuchte ich meinen Vater im Odenwald und mir ging es sogar besser als nach dem letzten WK. Nur mein Fuß fing plötzlich an zu drücken und war irgendwie mehr angeschwollen als gewöhnlich. Ja richtig, mehr als gewöhnlich, denn dank der von mir diagnostizierten Bänderdehnung, ignorierte ich es völlig, dass da immer noch eine Schwellung war und diese konnte ich nun nicht mehr ignorieren. Vor allem dann nicht, als ich feststellte, dass das Umknicken schon 8 Wochen her war. Ich bekam es mit der Angst zu tun und setzte alle Mühlen in Bewegung, sodass ich tatsächlich zwei Tage später im MRT lag. Erst war ich ruhig, doch als nach zehn Minuten plötzlich vier Leute hinter dem Fenster vor dem Monitor standen, wurde mir anders.

Ich bekam die Bilder in die Hand und wankte wie die Kuh zur Schlachtung zu dem Arzt der mir gleich eine persönliche Botschaft übermitteln würde. In irgendeinem Akzent hörte ich nur: Vor 8 Wochen ist das Band definitiv gerissen, aber halbwegs wieder zusammen. Erster Genickschlag. Und der zweite kam sogleich, Knochen verstaucht und irgendwas an den Sehnen. Drei in einem, wenn dann richtig.

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Ich stieg ins Auto, unfähig zu wissen was das nun tatsächlich bedeutete. Wie ferngesteuert fuhr ich zum Orthopäden, wartete über zwei Stunden und es dauerte nicht lang, bis sich die Diagnose mit der Empfehlung vereinte und mir die Tränen in die Augen trieb. Das Band sei nur sekundär, das Schlimmste wäre das was da am Knochen (Talus) passiert ist. Knochenödem, Bone Bruise..man kann es nennen wie man möchte und es ändert nichts daran, dass sowas eine lange Heilungsdauer nach sich zieht, mit 6 Monaten müsste ich rechnen. Mit sündhaft teurer Stoßwellentherapie vielleicht nur 3 Monate. Achja und das mit der Taubheit würde auch auf jeden Fall an den Bändern liegen. Yippieh.

Ich solle mal in Hinblick meiner sportlichen Aktivitäten Vitamin D nehmen, sowas wie den ZUT besser vergessen und das Trainingslager nächste Woche sowieso. Laufen verbieten könne man mir ja nicht und eigentlich darf man mit sowas alles machen, es nur nicht übertreiben und vielleicht nicht 50 sondern nur 15-20km laufen, auf jeden Fall nichts Extremes mehr. Wenn es schmerzt sofort gehen und abwarten bis es aufhört, denn der Befund sei schon gravierend. Einlagen zur Dämpfung verschrieben bekommen, that’s it.

Je mehr diese Tatsachen anfingen zu sacken desto mehr wurde mir die Tragweite bewusst. Angst und Verzweiflung gleichermaßen. Ich konnte es absolut nicht fassen. In den letzten zwei Monaten bin ich mit Sicherheit über 600km gelaufen und das meistens in eher ruppigen Gelände. Im schlimmsten Fall kann das Ödem den Knochen schädigen, denn es hat ja da wo es ist keinen Platz.

Mein Kopf war und ist so leer, sodass mir erstmal lange Zeit stumm die Tränen herunterliefen. Klar, es hätte alles schlimmer sein können. Fakt ist aber, dass ich jedes Jahr etwas Neues aufgeschultert bekomme, was mich monatelang begleitet. Das macht mich sehr dünnhäutig und am liebsten hätte ich mich nach der Arbeit verkrochen, bin dann aber doch noch zur Heartbeat erschienen… Der Mix aus Crossfit und Intervallen klappte ganz gut, den Fuß merkte ich hinterher nur minimal und angeschwollen war auch nichts. Wie ich da jetzt langfristig weitermachen kann und werde weiß ich nicht genau, auf jeden Fall werde ich das mit der Stoßwellentherapie versuchen.

— Jamie

9 Gedanken zu “Vom Ultra zum Dämpfer

  1. Da hast du dich so tapfer an die lange Distanz ran gearbeitet und jetzt so einen riesigen Nackenschlag hinnehmen müssen. Ich wünsche dir alles Gute und gute Genesung für deinen Fuß. Liebe Grüße, Robert

  2. Ohje, guten Heilverlauf wünsche dir. Es ist ja unglaublich, dass du noch so viel machen konntest. Mir half es bei einer Verletzung, Aussagen von Profisportlern zu lesen, welche häufig von schweren Verletzungen geplagt waren. In dem Sinne: Du kommst stärker zurück!

    1. Mich hat es ebenfalls echt erschreckt und es steht einfach in völligem Kontrast zu meinen Aktivitäten, sodass ich es noch immer kaum glauben kann und auch nicht weiß, was wird, wenn ich etwas abgemildert so weitermache. Vielleicht sollte ich mal mehr nach solchen Erfahrungsberichten suchen und dafür weniger laufen 😉

  3. Oh, das ist natürlich blöd mit dem Fuß, aber jetzt auch nicht mehr zu ändern, also mache das Beste draus! Ich wünsch dir eine schnelle Genesung.
    Mein Knöchel wird nun schön langsam besser. Den hab ich mir vor 10! Wochen verletzt. Ich hätte damals wohl besser auch zum Doc schaun sollen, aber nun ist er ja zum Glück fast wieder wie früher…
    Vielleicht verschwinden die Schmerzen bei dir dann ja doch etwas schneller als befürchtet.

    lg Andi

    1. Aus Dingen die unveränderlich sind, sollte man in der Tat immer das Beste machen oder es zumindest versuchen. Ich nehme das jetzt zähneknirschend hin und versuche Kompromisse zu finden und mich in einem Rahmen zu bewegen, der einen Heilungsverlauf zulässt.

      Bist du auch umgeknickt? Also auch so ein Kandidat der lieber wartet anstatt einen Arzt zu bemühen 😉 Schmerzen habe ich nur bedingt, das ist ja das Trügerische daran. Man müsste mich schon eingipsen damit ich nicht in Versuchung käme die Laufschuhe anzuziehen..und selbst dann würde ich es wahrscheinlich noch probieren.

      LG, Jamie

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