Vaunus 7/30

Willkommen in der Welt der Trails, des Taunus und der verrückten Läufer. Vernunft kennen wir, haben wir schon mal gehört. Tut aber nichts zur Sache. „Gestern“ haben wir noch einmal ernsthaft rekonstruiert, wie es zu sowas wie „Vaunus 7/30“ kommen konnte. Zunächst ist einmal festzuhalten, dass „Vaunus“ des Wortes „Taunus“ entstammt. Alles was im Vaunus geschieht, bleibt auch im Vaunus. Im Vaunus wird nur inoffiziell geballert, denn im Prinzip könnte man eigentlich behaupten, alles was im Vaunus gelaufen wird, ist aktive Regeneration. Vielleicht steht Vaunus aber auch für verrückt..

„7/30“, ganz einfache Rechnung. 7 Tage lang, jeden Tag 30km laufen. Auf Trails – im Vaunus versteht sich. Die Idee wurde in einer Phase von Vernunft geboren wie sie wahrscheinlich nie wieder vorkommen wird. Esther lag krank darnieder, ich hatte mit muskulären Zipperlein zu kämpfen. Wir liefen beide konsequent mindestens eine Woche nicht (was aber nicht heißt, dass man nicht über das Laufen reden kann). Das geschah noch vor dem ZUT und wir waren uns sicher, dass wir nach dieser Vernunftsphase wieder ganz viele verrückte Sachen tun würden. Etappenläufe wären ja schon irgendwie ganz cool. Oder ein noch nie dagewesener Kilometerumfang innerhalb einer Woche.

„Irgendwann laufen wir einfach eine Woche jeden Tag mal 30 Kilometer.“
„Deal?“
„Deal!“

Lasst den Wahnsinn beginnen.

Day 1

Es fühlte sich fast schon so ernst und freudig-aufregend an, als sei es ein offizieller Lauf. Wir hatten die Woche davor sogar getapert, sodass ich es mir wirklich mal rot im Kalender markieren sollte, als ich quasi eine Tagesetappe einfach als kompletten Wochenumfang gelaufen bin. Da ich aber nun mein Mountainbike wieder habe, hatte das natürlich auch seinen Auslauf.

14:30 Uhr. Ich schwinge mich auf Mojo und radle motiviert hoch zur Hohemark. Keine zwei Minuten später kommt mir grinsend Thomas W. entgegen, der sich Dank unseres FB- und instagram-Aufrufs spontan dazu entschloss, nach seinem Sonntags-Marathon, die 30 Kilometer mit uns zu laufen. Was aber auch einfach nur legitim ist, wenn man demnächst den UTMB antreten möchte.

Ein paar weitere Minuten später waren wir dann mit Esther und Thorsten komplettiert und liefen locker Richtung Saalburg los. Es fühlte sich alles derart fluffig und beschwingt an, dass wir irgendwie doch das Tempo immer mehr anzogen, als gäbe es die Anstiege gar nicht. Wir waren derart ins Gespräch vertieft, das ruckzuck nach nur geringfügig mehr als einer Stunde, die ersten 10 Kilometer hinter uns lagen.

Über was unterhält man sich so, wenn man weiß, was man die Woche noch so vor hat? Eigentlich lässt sich das ganz kurz zusammenfassen: laufen, essen, arbeiten, schlafen…laufen! Uhren, Schuhe, Rucksäcke. Die Anhäufungen an Lebensmitteln zu Hause, um diese Woche bestmöglich zu überleben. Ernährungsphilosophien mit folgender Essenz: „Man muss nur lange genug warten, bis Wissenschaft und Läufer sich wieder einig sind, dass man doch alles essen darf!“

Über feinste Flowtrails schrammten wir am Herzberg vorbei, hielten inne, machten immer wieder Bilder. Genossen die Natur. Machten uns bewusst was wir da hatten. Dass das was wir da tun bzw. laufen dürfen, einfach Lebensqualität ist. Dass die Mentalität bei reinen Straßenläufen immer irgendwie anders ist. Dass wir froh sind, das wir da sind wo wir sind.

Sandplacken. Die letzten zwei Kilometer bis zum Feldberg. Läuft. Meine neuen Inov8’s halten auch was sie versprechen: ich vergaß sogar, dass ich Schuhe an den Füßen hatte. Noch mehr Stand und Grip, weniger Knieschmerzen und keine einzige Blase. Die Ausmusterung der X-Talon nach 1400 Kilometern war dann doch eine weise Entscheidung gewesen.IMG_20160801_170417922.jpg

Dann die letzten Meter bis zum Feldberg, langsam sind die Beine doch etwas beansprucht und die Gespräche dünnten kurz aus. Gemeinsam vernichteten wir oben einen Kokosriegel, bevor wir langsam Richtung MTB-Trail rollten. Thorsten wurde schleichend bewusst, worauf er sich da eingelassen hatte. Nicht etwa die 210 Kilometer waren abschreckend, nein, es war eher die Tatsache, dass er die meiste Zeit mit zwei verrückten Trailhühnern unterwegs sein würde. Diese Woche wird seine Rekrutierung als Ultraläufer bedeuten und auf dieser Basis dürfte er dann natürlich auch seine Seele an den OCR verkaufen und mit seinem Blut den Vertrag unterschreiben… 😉 Aussagen wie: „Ihr seid doch verrückt!“, wurden von uns in hysterischer Vaunus-Manier weggelacht.

Um kurz nach 18 Uhr standen wir dann oben an der weißen Mauer, wurden mit gleisendem Abendlicht und einer klaren wahnsinns-Aussicht belohnt. Bilder sagen auch hier mal wieder mehr als tausend Worte…

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Auf den letzten 7 Kilometern mussten wir uns etwas einfallen lassen, da wir ansonsten vorzeitig wieder am Parkplatz gewesen wären. Auch unsere Uhren waren nicht exakt gleich – das machte bis zu einem Kilometer aus. Also liefen wir noch eine Schleife und dann noch etwa zwei Kilometer Waldautobahn in eine Richtung, nur um wieder umzudrehen. Ob wir die Daten nicht mitteln und dann durch vier teilen könnten? Was nicht auf Strava aufgezeichnet wurde, ist auch nicht passiert 😀 Als wäre es nicht genug, musste ich noch fast drei Runden auf dem Parkplatz drehen, um die restlichen 300 Meter voll zu machen. Zum Glück sind wir alle gleich verrückt, sodass wir gemeinsam auf dem Parkplatz „ausliefen“. Normalerweise ist mir sowas recht egal, aber innerhalb dieses Projekts würde ich einfach sagen: #allebekloppt und #allesfürdenVaunus!

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Strava – Day 1

Day 2

Ich weiß nicht ganz genau weshalb, aber ich schlafe so dermaßen bescheiden, dass ich mir kaum mehr vorstellen kann jeden Tag aufs Neue 30 Kilometer durch den Wald zu rennen. Dazu kommt die schwindende Konzentration. Dieses Mal regnete es einfach nur und zwar ohne Erbarmen. Es gab keine einzige Minuten ohne geöffnete Himmelsschleusen. Um etwa halb vier machten wir uns auf den Weg. Schön ist, dass wir bisher immer „Gastläufer“ haben, die uns begleiten, motivieren und auch irgendwie ziehen. Diesmal waren es Janosch und Dennis die dem Wetter ohne Wenn und Aber trotzten.

Geplant war die „große Zacken“ Tour, die mit locker über 1000 Höhenmetern ganz schön fordern würde. Es war eine Route auf der man sich gut abschießen konnte, wenn man nicht aufpasste. Zum Warm-werden ging es direkt 200 Höhenmeter über den MTB weiße Mauer Trail nach oben, dann wieder ein Stück nach unten und wieder 1,2 Kilometer mit durchschnittlich 21 Prozent Steigung nach oben zum Altkönig. An einer Stelle war es so steil und glitschig, dass ich wegrutschte, mich in letzter Sekunde mit den Händen fing und mir dabei die Schulter verdrehte. Das wird mich wohl diese Woche noch etwas begleiten. Auch Janosch wurde Opfer des steilen und felsigen Untergrunds. Der Regen ließ kleine Bäche herunterfließen – jeder Schritt musste mehr oder weniger konzentriert gesetzt werden.

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Auf dem Altkönig angekommen wurde es richtig kalt und ungemütlich. Wind kam auf, der ein oder andere packte die Regenjacke aus und dann glitschten wir wieder nach unten. Meine Knie fingen an zu rebellieren, dabei hatten wir noch nicht mal 10 Kilometer hinter uns gelassen. Ich fragte mich wie ich diesen Tag zu Ende bringen würde, lief immer verhaltener, horchte in mich hinein.

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Irgendwann nahmen wir nicht mehr wahr dass es regnete. Mal war es feiner Sprühnebel, dann wieder ein richtiger Landregen. Nebel umhüllte uns und wir spurten einfach nur durch die Wetterfronten, was direkt wieder dynamisch wirkte und wir uns gegenseitig einfach immer weiter zogen. Es war nicht wie im August, sondern eher wie ein verregneter Oktober, der gerade in den November mündete.

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Recht bald fanden wir uns auf umgegrabenen Trails wieder, steckten bis zur Wade im Schlamm und all das schien kein Ende zu nehmen. Die bösen Mountainbiker, die bösen Trailläufer..aber die lieben „Waldpanzer“ schweben natürlich über die Wege, ist klar. Zäune und Gatter sollten uns die Tour madig machen, aber dann liefen wir halt durch das Unterholz einfach drum herum.

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Über verwunschene Pfade ging es immer höher und höher durch dichte Gräser, Fingerhut und auch Brennnesseln bis zum großen Zacken. Auch kleine Kletterpartien und sehr schmale felsige Pfade blieben nicht aus. Ich fühlte mich immer wieder zum K-UT zurückversetzt. Nach knapp 17 Kilometern hatten wir die ersten 1000 Höhenmeter abgefrühstückt. Durch den anspruchsvollen Untergrund, Wasser von oben, sowie von unten und auch die Steigungen, waren wir länger unterwegs als am Tag zuvor. Länger als eine Minute stehen zu bleiben bedeutete sofortige Auskühlung.

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Auf dem großen Zacken

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Quasi zum Abendessen gab es einen Kokosriegel – ich merkte langsam aber sicher, dass meinem Körper einfach die Energie fehlte. Zudem war es ein ständiges Wagnis sich für oder gegen das Laufen am Berg zu entscheiden und besonders verführerisch, wenn man sich von Janosch und Dennis dazu anstacheln ließ. Ich versuchte mir ständig vorzustellen und bewusst zu machen, wie sich das auf die restlichen fünf Tage auswirken würde. Konnte ich aber nicht. Vielleicht bin ich nach dieser Woche etwas schlauer.

Ich kam über Wege und Trails, die ich noch nie zuvor gelaufen bin. Durch Glashütten auf dem Glasweg – das bedeutete in regelmäßigen Abständen hatten wir immer mal wieder Skulpturen aus „Glas“ zu bewundern. Was irgendwie ziemlich strange war, so mitten im Wald aber gerade mit dem Regen irgendwie ganz besonders wirkte.

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Downhill wurde es dann für mich ziemlich haarig. Meine Knie waren präsent und meine Oberschenkel fingen irgendwann an zu brennen. Meine Konzentration war weg und der Trail drehte sich vor meinen Augen. Was da los war wusste ich auch nicht so recht. Ich fühlte mich als würde ich mit jedem Schritt ins Leere treten. Die glitschigen großen und teilweise losen Steine machten es mir da nicht gerade einfacher. Nach vier Stunden im Dauerregen hat man dann halt irgendwann das Bedürfnis einfach nur anzukommen. Dieser Tag war eine verschärfte Mental-Challenge. Einfach durchhalten und auch diesen Tag zu Ende bringen. Nur im Moment leben, nicht an morgen und übermorgen denken.

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Manchmal hörten wir hinter oder neben uns ein leises Mimimi von unseren beiden Gastläufern – am nächsten Tag wollten sie keine 30 Kilometer mehr laufen. Wir schon – wir wollen müssen oder müssen wollen? Dennoch war die Stimmung großartig, wir lachten alle ständig über irgendetwas und zum Ende hin trifteten die Gespräche wieder zu Senf-Eiern und Avocados. Wir hatten alle hunger.

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Teil des Glaswegs

Die letzten 8 Kilometer waren härter für mich. Nicht ganz so hart wie ich es schon erlebt hatte, aber über die ganzen losen und nassen Steine hinab, eben einfach Energie raubend. Und dann war plötzlich doch die Hohemark in Sicht und mit ihr das Auto mit einem Zettel an der Fahrertür, den ich zunächst als Strafzettel interpretierte. Ein „OCR-Strafzettel“ in Form eines Aufklebers. Ich hatte da Christoph in Verdacht und dieser bestätigte sich dann auch – man ist eben niemals alleine im Vaunus 😀

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Strava Day 2

Day 3

Dank des Schlafmangels hatte ich schon vor dem Lauf Probleme. Zusätzlich halbtags zu arbeiten hatte ich mir irgendwie einfacher vorgestellt. Der Regen hatte noch immer kein Erbarmen mit uns, sodass ich das Mountainbike wieder stehen ließ und mit Thorsten mit dem Auto zur Hohemark fuhr. Dort angekommen, sah ich in der Ferne eine vertraute Gestalt stehen. Christoph hatte es sich tatsächlich nicht nehmen lassen uns auf unsere dritte Etappe zu schicken 🙂 Auch Thomas W. war wieder mit an Bord – im Zweifelsfall würde er uns wieder über die Trails ziehen, wenn uns die Motivation verließ.

Über Esthers Hausberg, der mittlerweile Dank „Forstarbeiten“ keiner mehr war, wurschtelten wir uns immer höher mit mehrfachen Schlenkern Richtung Sandplacken. Natürlich im immer gleichbleibenden Regen. Singlerails mit Fichtennadelbetten ließen uns relativ fix auf die ersten zehn Kilometer kommen.

Durch Meter-hohes Gras gespickt mit tausenden von reflektierenden Regentropfen (diesmal ohne Zecken) ging es teilweise durch das Unterholz immer Richtung Zwirbelkieferschneise. Wir duckten uns unter tiefen Geäst hinweg und nahmen dann den nächsten längeren Anstieg unter die Füße. Zipperlein, wie ein Stich im vorderen Oberschenkel verschwanden während dem Laufen wieder. Es ging erstaunlich locker und entgegen unseren Erwartungen an Tag drei ließen wir nicht nach. Noch immer flossen die Gespräche, egal wie steil es auch wurde. Unsere Beine trugen uns ohne Wenn und Aber einfach weiter.

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Über einen neu ausgebauten Mega-Mountainbike-Downhill ging es auf den Feldberg. Der Nebel wurde immer dichter und wir wurden nasskalt eingehüllt. Alles war aufgeweicht und sehr rutschig, sodass Esther kurz den Boden küsste.

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Oben angekommen war es richtig kalt, sodass ich froh war meine Jacke kurz zuvor angezogen zu haben. Die Zeit für das ein oder andere Bild nahmen wir uns jedoch trotzdem. Wir waren einfach drin und im Laufen angekommen. Es ist schön, wenn nur noch der Moment zählt und man einen Rhythmus herstellen kann, der in unserem Fall sogar über mehrere Tage andauert.

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Was folgte war ein Abstieg Richtung Altkönig, über weitere glitschige Wurzel-Stein-Trails, die meine ganze Aufmerksamkeit forderten, leider auch die meiner Knie. An der Abzweigung hoch zum Altkönig, entschieden wir uns für den „fluffigen“ Trail. Ein schmaler Flowtrail mit Fichtennadeln, ein paar Matschlöchern und kleinen Wurzeln. Perfekt abgefedert, bis es die Geröllrampen wieder richtig hinauf geht.

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Altkönig-Modeerscheinungen

Nach etwa 18 Kilometern verabschiedete sich beim nächsten Downhill mein Kreislauf etwas, mir wurde schlecht und ich musste wandern. Mein Körper fing an so zu reagieren, wie nach langer Zeit bei einem Ultra. Eigentlich ein Zeichen, dass ich mich leergelaufen hatte. In diesem Fall über Tage. Es ist kein konditionelles Problem, eher ein Problem der Energieaufnahme und des Verbrauchs. Das habe ich nicht wirklich drauf und dann passiert eben genau sowas. Glücklicherweise fing ich mich recht schnell wieder, sodass die letzten 8 Kilometer wieder flutschten.

Thomas verabschiedete sich schon etwas früher und wir liefen noch weitere Schlenker um die 30 vollzumachen. Während Esther und ich durch das Unterholz stiegen, bezwang Thorsten einen umgestürzten Baum der mit sehr ausladendem Blätterdach quer über dem Weg lag. Es war eine schwere Geburt, aber er lebt noch 😀

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Richtung Königstein liefen wir noch unbekannte Wege und trafen dann in einem Bogen auf Trails und Waldautobahnen, die zumindest mir wieder bekannt waren, sodass wir nicht die gleiche Strecke noch einmal laufen mussten.

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Thorsten..das Symbol welches noch auf dem Banner fehlte 😉

Es war noch immer Kraft da, um nochmal etwas anzuziehen. Die Beine waren etwas schwer, aber irgendwie war ansonsten alles recht beschwingt, sodass wir fast 32 Kilometer auf der Uhr stehen hatten, als wir wieder am Ausgangspunkt ankamen. Entgegen unserer Planung waren es wieder 1000 Höhenmeter geworden, die viel weniger ins Gewicht fielen, als ich es geglaubt hätte. Ich frage mich ob es einfach ewig so weitergeht?

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Strava Day 3

Day 4

Endlich wieder Tiefschlaf, endlich wieder einen wacheren Kopf. Ohne meine Blackroll hätten sich meine Beine wahrscheinlich nicht so schnell wieder so gut angefühlt. An diesem Tag starteten wir erst um kurz nach 17 Uhr, mit dem Wissen am Tag darauf eine noch kürzere Regeneration zu haben, da wir um 11 Uhr morgens loslaufen wollen.

Esther und ich teilten uns die Streckenführung. Bis zur Saalburg musste ich mir da keine Gedanken machen, danach ging über die Lochmühle Richtung Wehrheim auf einen weiteren Teil des Limes-Erlebnis-Pfads, was nichts weiteres meint als feinste Singletrails.

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Dieser Tag war der Tag mit den meisten „Gastläufern“. Christoph, Tim und Roland begleiteten uns – und wer hätte das gedacht – mal wieder teilweise durch den Regen. Offroad ging es steil und etwas steiler im Zickzack immer Richtung Saalburg. In dieser wirklich schönen Ecke war ich schon länger nicht gewesen und nach anfänglichen drei bis vier Kilometer Bein-Mimimi meinerseits (in Form von schweren Beinen und ziehenden Waden) rollte sich dann doch wieder alles ein. Es war ein Gefühl mit jedem Schritt stärker zu werden. Großartig. Und das für mich völlig unerwartet, nach über drei Tagen laufen, laufen und nochmals laufen. Die Gespräche wurden zwar von Anfang an dünner, aber es ging vorwärts und langsamer wurden wir auch nicht. Ich denke diese Geschichte wird uns stärker machen. Natürlich hinterlässt das ganze auch ein paar Spuren. Besonders, wenn man so wie ich, ein solches Projekt mit neuen Schuhen angeht, die 2mm weniger Sprengung haben als ich es gewohnt bin, was zu Problemen mit der Achillessehne führte. Gut getaped ist eventuell halb gewonnen…

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Wir flogen nur so über die Herzberg-Trails. An diesem Tag hatte ich wirklich den Spaß meines Lebens, sogar herunter, glitschige Steine und Wurzeln hin oder her. Ich hatte Kraft, ich war wach und plötzlich flutschte es nur so. Ich war das erste Mal in dieser Woche so richtig im Runnershigh, sodass die ersten 15 Kilometer derart schnell verflogen, dass ich es kaum wahrnahm. Nach genau dieser Distanz hatten wir über 100km und 3000 Höhenmeter in den Beinen und somit war „Projekthalbzeit“ – dies wurde mit einem entsprechenden Bild gewürdigt 😉

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Wir querten eine Straße und eine Bahngleise und tauchten auf die andere Seite des Taunus ein – Wehrheim war nicht mehr weit. Die Tour sollte eigentlich eine abgespeckte Version der letzten Strecken werden. Ich hatte regenerative 500 Höhenmeter angepeilt. Dass wir das schon längst überschritten hatten und letzten Endes vor einem ganz anderem Problem standen, stellten wir am Ende des Limes-Trails fest. Knapp 20 Kilometer standen auf der Uhr. Neues Ziel: unter 40km bleiben. Nicht jeder war so erfreut darüber. Der Track hatte im Original eigentlich 44km und ich hatte vorher angemerkt, dass wir bei Wehrheim schauen müssen, dass wir wieder abdrehen. Dank Trackback konnten wir auf direktem Weg zurückfinden, vorbei an zwei Rehen und immer wieder mit längeren Anstiegen, die mir die letzten Körner zogen. Dummerweise aß ich ein paar Mandeln, ohne zu wissen ob ich sie vertragen würde. Das ging dann so weit, dass mir mal wieder richtig übel wurde. Nach 27 Kilometern war ich dann kurz davor mich zu übergeben. Es war fast ganz dunkel und ich musste mir überlegen wie ich nun damit umging. Etwas wandern, dann wieder anlaufen. Einen Kilometer später lief ich dann einfach nur noch, es brachte ja nichts. Ich kam darüber hinweg, als wir nach Kilometer 30 an einem Feld vorbeikamen welches einfach nur ein unbeschreiblich friedliches Panorama bot. Ich konnte gar nicht mehr wegschauen. Recht bald schloss ich wieder auf Esther auf, wir kamen wieder ins Reden und Lachen. Wollten uns dann aus irgendeinem Grund der Motivation abklatschen, verfehlten uns aber immer wieder, lachten nur noch mehr. Der ganz normale (herrliche) Wahnsinn.

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Nach über 33km und dem letzten leichten Anstieg zur Hohemark, fielen wir dann auf den Parkplatz ein. Ich war wirklich froh einfach nur da zu sein, damit war ich jedoch nicht alleine. Und wieder war es ein Kilometer mehr als am Vortag. Die Wochenbilanz wird eine spannende. Nun heißt es erst einmal die restlichen drei Tage zu überleben.

Strava Day 4

Day 5

Dass es hart wird, hatten wir uns ja denken können. Am fünften Tag war es so weit, dass wir von Anfang an kaum mehr ein Gespräch in Gang bringen konnten. Der Weg war mittlerweile egal. Wir liefen einfach – immer hoch, hoch und hoch. Keinen Blick mehr für besondere Trails oder schöne Natur. Der Fuchstanz war das Ziel. Ich war wieder müde und meine Achillessehne machte Probleme. Irgendwann hörte es einfach wieder auf, so wie es gekommen war.

Die Atmung wurde schwerer – drei hechelnde Eichhörnchen am Berg. Ich entschloss mich durchzulaufen, ob das so schlau war? Ich weiß es nicht. Ich hatte einfach nur das Bedürfnis Kilometer zu machen, um diesen Tag schnellstmöglich zu beenden. Nur 13 Stunden Regenerationszeit zwischen den Läufen waren einfach zu wenig. Es war so hart. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass es noch härter werden würde.

Nach etwa 7 Kilometern kamen wir am Fuchstanz an und der Plan war auf gut Glück über Märchentrails um den Altkönig zu laufen, um Kilometer zu machen, relativ flach zu laufen und mal etwas anderes zu sehen. Gemütlich laufen, vielleicht 500 Höhenmeter machen. Guter Plan.

Hier ein kleines Video vom Traillauf: –klick

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Ein Plan der zu funktionieren schien. Wir fanden großartige Trails mit flaumigen, regennassen Gräsern, Unterholz, Fichtennadeltrails, Wurzeltrails…und einen Förster mit Auto. Wir dachten kurz er würde uns anhalten, um uns zu erklären, dass wir dort nicht laufen sollten. Es kam dann aber leicht anders. Er stellte sein Auto an den Rand, stieg aus, grüßte uns freundlich und fragte interessiert wo es denn hingehen soll und was wir vorhaben. Wie lange wir denn laufen würden. 30km? Ja das wäre schon etwas. Er würde ja auch laufen, aber nicht so weit. Was wir sonst so machen. Wir erzählten ihm von unserem Vaunus Projekt 7/30. Es dauerte einen Moment, ehe er begriff, dass wir nicht 30km in einer Woche laufen, sondern 30km pro Tag, mit mittlerweile 1000 Höhenmetern im Schnitt. Seine Atempause nutzten wir, um ihn zu fragen, ob er ein Bild von uns machen würde. Fast wäre er selbst Opfer eines Fotos geworden, da die Handykamera noch umgedreht war 😀

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Nach einiger Zeit spuckten uns die Altkönigtrails wieder an einer Waldautobahn aus und Wunder was: wir waren wieder am Ausgangspunkt. Also liefen wir woanders wieder hoch und entschieden, dass wir jetzt einfach ganz hoch mussten, um dann Richtung Kronberg wieder abzusteigen, denn dort hatten wir bisher noch nichts ausgekundschaftet. Endlich schien mal die Sonne und es war so schön, dass wir ständig anhielten, um das ganze bildlich festzuhalten.

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Mittlerweile hatten wir fast 500 Höhenmeter gesammelt, also war noch immer alles im Plan. Bei Kronberg fanden wir plötzlich noch schönere Singletrails, die immer weiter nach oben führten. Mit jedem Schritt wurden sie steiler, sodass wir recht schnell in den Wanderschritt verfielen. Meine Ferse meldete sich wieder. Wir waren kurz vor 18 Kilometern und ein weiterer Plan war, die 20 in dieser Gegend zu vollenden, um dann die restlichen 10 mehr oder weniger flach, zur Hohemark abzusteigen.

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Auf dem Weg nach oben verloren wir irgendwie unsere Intelligenz. Zu allem Überfluss wurde mir wieder richtig schlecht und mein Kreislauf verabschiedete sich immer mehr. Ich knabberte immer wieder an einem Kokosriegel, hatte aber das Gefühl, dass mein Körper keine Ahnung mehr davon hatte, was er nun damit anstellen sollte. Alles verschwamm vor meinen Augen, meine Konzentration war gegen Null, meine Ferse schmerzte wieder. Ich sah kaum wo ich meine Füße hinsetzte. Konnte mir nicht mehr vorstellen wieder in den Laufschritt zu fallen.

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Wie viele Füße passen eigentlich im Wechsel nebeneinander?

Plötzlich gab es für uns alle nur noch eine Option: wir mussten nochmal auf den Altkönig laufen, um auf 30 Kilometer zu kommen. Wie unfassbar blöd! Da aber sowieso keiner mehr denken konnte, widersprach auch niemand, sodass wir uns recht bald schon wieder auf dem Plateau vorfanden. Mir ging es mittlerweile so dreckig, dass ich kurzzeitig die Orientierung verlor. Und dann kam es wie es kommen musste – auf dem Geröll-Downhill hatte sich Dank des Regens so etwas wie grüne Algen gebildet, die überall auf den Steinen klebten. Das richtig zu interpretieren, war zuviel verlangt. Also rutschte ich auf einem Stein weg, stolperte, glitschte nochmal durch den Grasrand und fiel seitlich zu Boden. Es tat zum Glück nicht sonderlich weh, sodass wir bald wieder ins Laufen kommen konnten.

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Banana-Thorsten: der Mann für alle Fälle

Nach diesem Erlebnis ging dann aber fast gar nichts mehr. Ich war nicht mehr fähig bergab zu laufen, ohne das Gefühl zu haben, dass sich mein Magen gleich überschlug. Mein Puls ging immer höher und höher und diese letzten 8 Kilometer kamen mir vor wie ein Todesmarsch, während sich die anderen zwei wieder eingerollt hatten.

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Zu allem Überfluss, bekamen wir die 30 auf direktem Weg nicht voll. Also liefen wir nochmal über einen Kilometer eine Waldautobahn hoch, die mir alles abverlangte was überhaupt noch da war. Dann wieder runter. 28, 29… und 30 Kilometer am Parkplatz. Ich war fertig mit der Welt, stand vollkommen neben mir. Kam nach Hause, stand mit meinem Rucksack in der Hand im Flur und wusste nicht was jetzt zu tun war. So ein ähnliches Gefühl kenne ich nur nach den beiden Ultras. Ansonsten fühlt es sich derzeit eher so an wie ein ewiger, qualvoller Ultralauf, der einfach nicht aufhört. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es nochmal besser wird und bin aktuell nur froh, wenn diese Woche endlich vorbei ist.

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Strava Day 5

Day 6

Ich brauchte ein großes Pizzastück, ein paar Stunden Schlaf um wieder die Muse zu haben, diesen Lauf zu ordnen und nieder zuschreiben.Gestern Abend hatte ich die Blackroll ausgelassen und vielleicht war das auch ein kleiner Fehler. Heute morgen fühlten sich nicht nur meine Beine unrund an, nein die Achillessehne leistete auch ganze Arbeit zum Thema Schmerz. Ich wollte es zumindest versuchen. Nicht umsonst hatte ich am Abend alles vorher in mich hineingeschaufelt, um das immer größer werdende Energiedefizit wenigstens ansatzweise auszugleichen. Pizza, Müsli, Nutellabrote. Ohne Nutella geht sowieso zur Zeit nichts mehr, also zum Frühstück wieder Nutella, Haferflocken und einen Eiweißshake. Maltodextrin und Kokosriegel für unterwegs. Übelkeit du kannst mich mal!

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Konnte sie mich dann auch tatsächlich. Heute war OCR Trail und es kamen so viele Leute – das war echt toll und zu dem Zeitpunkt eine echte Motivation. Ich dachte ich gönnte meinen Beinen mal was und erschien in CEPs 😉 Beim Loslaufen schmerzten mir bereits die Waden, dann doch wieder die Beine. Blackroll… wieso habe ich das nur (nicht) getan? Die ersten 5 Kilometer waren sehr unschön. Und ich wusste da fehlen noch 25. Zum Glück hielten wir immer mal wieder kurz an und machten Bilder. Ich hatte etwas Schwierigkeiten mit dem Lächeln.

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Wir liefen weiter, es waren bestimmt schöne Trails, aber ich schaute immer nur vor mir auf den Boden, sagte keinen Ton mehr. Stand völlig neben mir. Ich dachte an abbrechen. Dann an meine Ferse und spürte den ständigen messerscharfen Schmerz – wusste nicht wo unsere verrückte Vernünftigkeit ihre Grenze hatte. Irgendwann wurde es jedoch wieder erträglich, aber die Luft war einfach raus. Ich spürte ständig, wie ich wieder blitzschnell an Kraft verlor und irgendwas nachschütten musste. Mein Körper war auf einer Gradwanderung. Irgendwann verfiel ich in einen Trott den ich ganz gut halten konnte. Nach 12km trennten sich die meisten wieder von uns, nur Dominic von bambisports und Christian liefen noch mit uns.

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Die Gespräche wurden auch immer flacher – „Taunusflach“ eben: Thorsten: „Rollt eine Kugel um die Ecke und fällt um.“ Dominic darauf: „In welche Richtung?“

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Wenn man Kreislauf hat, muss man geradeaus laufen. Leider hatte ich so viel Kreislauf, dass ich kaum noch schneller rennen konnte, über lange Zeiten. Ich sah keinen Sinn mehr darin anzulaufen, es war nicht furchtbar schlimm, aber ich stand total neben mir. Dominic meinte mir das in den Augen ablesen zu können. Irgendwas ist also immer. Es war zwar nicht ganz so schlimm wie am Vortag, aber zumindest so schlimm, dass mir alles nur noch wie in Slowmotion vorkam. Taub, gefühllos, in Watte gepackt. Zwischendurch ein, zwei Lachflashs mit Esther. Dann doch wieder ein paar klare Kilometer.

Dann die letzten 2 Kilometer, da ging es wieder. Und wieder hatten wir fast 1000 Höhenmeter gesammelt. Weniger schaffen wir wohl einfach nicht und der morgige Tag wird nicht nur die HM, sondern auch die 30km übersteigen 🙂

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Strava Day 6

Day 7

Ich stand auf und fühlte mich zu meiner eigenen Überraschung recht gut. Das konnte also doch noch etwas werden. Mein Kopf war wieder klar. Ich freute mich auf die Tour. Wieder sollten wir ein paar „Gastläufer“ haben – diesmal waren es Christoph und Christian. Der Plan besagte, dass wir irgendwann auf dem Pferdskopf landen würden. Esther hatte die Strecke grob auf gpsies zusammengeklickt.

Es ging nach dem ersten Kilometer schnell steil bergan, sodass meine Waden beschlossen erstmal dicht zu machen. Als ich dann so schön an einem Baum stand und versuchte sie wieder aufzudehnen, tauchte Christoph direkt neben mir mit der GoPro auf und meinte meine Qual unbedingt filmen zu müssen. Auf die Frage „Wie fühlst du dich?“ Antwortete ich mit „So wie du aussiehst“ 😛

Wir lernten den Taunus mal von der anderen Seite kennen. Und was soll ich sagen…es war grandios und auch meine Waden spielten wieder mit. Recht bald befanden wir uns auf Trails und Wegen die uns völlig unbekannt waren und zugleich wunderschön. Die Sonne strahlte und wir hatten die Laune des Jahrhunderts. Befanden uns auf dem Höhepunkt und wussten, wir würden das Projekt jetzt nach Hause laufen.

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Nach knapp 10 Kilometern verließen uns unsere Begleiter wieder und wir waren wieder zu dritt. Über einen weißen Kiesweg stiegen wir auf die ersten Off-Trails ein und hätten uns fast dabei verfranzt..als plötzlich Tim um die Ecke geschossen kam. Er hatte den Track ebenfalls auf der Uhr und uns tatsächlich eingeholt! Genau zur richtigen Zeit, denn sonst wären wir wahrscheinlich falsch eingebogen. Also stiefelten wir gemeinsam immer wieder durch das Unterholz und kurze laufbare Passagen, bis wir wieder aus dem Wald herauskamen, eine Straße hinaufliefen die uns zu einer Weide mit komisch „mähenden“ Schafen führte.

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Wieder auf den schattigen Trails verschwunden, ging es über Wurzeln, Baumstämme und Unterholz nun nur noch hoch zum Pferdskopf. Die Strecken-Halbzeit war in greifbarer Nähe, auch wenn wir nicht mehr so wirklich schnell unterwegs waren. Lange Anstiege durchzurennen war aber dennoch möglich. Ich hatte das Gefühl, dass wir sogar schon während der Woche daran gewachsen sind. Vor allem Thorsten blühte gefühlt von Tag zu Tag läuferisch mehr und mehr auf.

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Nun ging es immer wieder mehr oder weniger ans Eingemachte – unsere Wortschöpfung „Taunus-Safari“ trifft es da ganz gut: durch Brombeersträucher auf trockenen, knackenden Gehölz und Steinen balancierten wir abwärts Richtung Straße, während überall die Grillen zirpten und die Sonne auf uns niederbrannte. Einen kurzen Hang hinunter und wir standen direkt an der Straße, die uns vom nächsten Off-Trail trennte. Durch einen Bach waten, die heißen Füße runterkühlen und die letzten 2 Kilometer unter die Hufe nehmen.

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500 Meter vor unserem ersten Ziel tauchte dann noch Thomas mit der Spiegelreflex auf, warf sich wie ein Outdoorfotograf vor uns ins Gebüsch und schoss einige echt gute Bilder. Wir ließen es uns nicht nehmen und stiegen den Pferdskopf-Turm noch 34 Meter hinauf, machten etwas Pause und natürlich viele Fotos, ehe wir über einen netten Downhill auf den letzten Part dem großen Feldberg zuliefen.

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Das einzige was mir die Tour immer mehr verleidete, war die Achillessehne. Lange bergauf zu rennen, glich einem Desaster. Unter normalen Umständen hätte ich schon längst abgebrochen, aber so kurz vor dem Projektziel wollte ich nun auch nicht mehr aufgeben. In den ebenso langen Off-Trail Passagen konnte ich jedes Mal den Schmerz wieder etwas loswerden. Es war wunderbar grün bemoost, alles war voller Glücksklee, pilzbewachsenen Baumstämmen..wenn irgendwo ein Tisch mit einer Teeparty des verrückten Hutmachers aufgetaucht wäre, es hätte mich nicht weiter gewundert.

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Die letzten 400 Höhenmeter waren nochmal knackig, da sie sich auf maximal 4 Kilometer beschränkten. Wir kraxelten Hänge hinauf und stiegen unermüdlich über Äste und alles was der Wald zu bieten hatte. Den Feldberg erreichten wir von der anderen Seite über eine nicht enden wollende Skipiste, die so steil war (zumindest kam es mir nach insgesamt über 200 Kilometern so vor), dass ich anfing seitwärts zu gehen, weil ich das Gefühl hatte, an meiner Sehne hinge ein Mühlstein. 100 HM vor dem Ziel stieg meine Garmin aus – ich hatte sie vergessen aufzuladen. Auch egal. Unter mittlerweile brutzelnder Sonne kämpfte ich mich, mit den Händen auf die Oberschenkel gestützt, die letzten Meter nach oben. Es war komplett anders, als „einfach“ einen Ultra zu laufen. Allein der Kopf war eine Woche lang eigentlich im Ultra-Modus und nur auf laufen eingestellt. Es war ein anderer Schmerz, eine ganz andere Härte…ein merkwürdiges Gefühl. Irgendwas zwischen Manie und vollkommener Abgeklärtheit.

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Dann saßen wir oben und ich hatte eigentlich nur einen Gedanken: das Eispack zu Hause in der Gefriertruhe..und so schnell es nur ging herunterlaufen. Schnelligkeit war zwar nicht mehr meine Stärke, aber Kontinuität. Nur nicht stehen bleiben, dem Schmerz keinen Raum geben und Vaunus 7/30 beenden. Es war hart, aber machbar und zwischendurch hatte ich sogar wieder ein Lächeln auf dem Gesicht. Einfach, weil all das irre war und für mich nicht greifbar.

Etwa 10 Kilometer später kam die Hohemark in Sicht, der Parkplatz, der Ort an dem alles anfing, an dem wir am 1.7. gestartet sind und nun einfach ankommen würden, als kämen wir von einem völlig normalen Sonntags-Trail. Verschwitzt aber glücklich. Kopfschüttelnd und lachend umarmten wir uns. Es war unglaublich dass es vorbei war. Einfach so. Dass wir das durchgehalten hatten, dass es einfach jeden Tag funktioniert hat. Es nie zur Diskussion gestanden hat, abzukürzen oder uns selbst zu bescheißen.

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Würde ich das nochmal tun?

Ja. Vielleicht nicht genau so, aber ich bereue nichts. Ich hatte noch nie so viel Abstand zu allen Problemen und Alltagsdingen die man eben so hat. Ich würde das nächste Mal eventuell nicht mehr noch zusätzlich halbtags arbeiten gehen, das habe ich einfach total unterschätzt. Es war eine Befreiung jeden Tag stundenlang durch die Wälder zu ziehen, die Grenzen weiter zu stecken, mit so tollen Menschen unterwegs sein zu dürfen die mit mir einfach sowas von auf einer Wellenlänge liegen. Auch die ganze Resonanz die wir während der Woche erfahren hatten, die Gastläufer, die eigentlich so viel mehr sind als nur „Gäste“. Ein riesen DANKE an dieser Stelle. Das Projekt ist eigentlich so banal, aber berührt mich sehr, eigentlich erst jetzt so richtig.

Die Kilometer waren niemals so wichtig, irgendwann ging es nur noch darum zu laufen, wenngleich wir natürlich unser Ziel dabei nicht aus den Augen verloren haben. Am Ende konnte es keiner von uns mehr greifen, keiner wusste mehr was es nun bedeutete 90, 120 oder 200 Wochenkilometer in den Beinen zu haben. Es geschah einfach und die nackten Zahlen fühlten sich nach „nichts“ an. Ich fühle mich vielleicht müder, aber ich fühle diese Distanz ansonsten einfach nicht. Natürlich spüre ich diese in meinen Beinen, aber eben nicht emotional. Vielleicht kommt das ja noch, aber derzeit weiß ich einfach nur, dass wir viel laufen waren.

Strava Day 7 Part I

Und die ca. 10km nur mit Strava App

Strava Day 7 Part II

Der krönende Abschluss…

…war das Grillen am Sonntag Abend. Thomas hatte sich während unseres letzten Laufs um alles gekümmert, sodass wir gemütlich zu neunt den Tag ausklingen lassen konnten. Perfekter hätte es nicht sein können – um es mit den Worten zu sagen, die wir ständig auf den Trails wiedergaben: „Soo schön!“

Und das sagt Garmin über die vergangene Woche:

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Da ich es schöner finde, euch auch an den Eindrücken der anderen Hauptakteure, teilhaben zu lassen, hier Esthers Sicht der Woche:

Projekt Vaunus 7/30 – eine Woche wie im Rausch

Eine Woche lang laufen, jeden Tag mindestens 30km – hoch und runter, kreuz und quer. Auf Trails, auf Waldwegen, über Stock und Stein, durch Matsch, durch Pfützen, durch Bäche. Bei Regen in allen Variationen, bei Sonnenschein. Immer zu dritt, an sechs der sieben Tage in Begleitung von weiteren Läufern – was für ein Support! Neben der Strecke, auf der Strecke, soviel Unterstützung, das war – neben dem Laufen an sich – eine beeindruckende Erfahrung!

Der Auftakt am Montag war grandios und ich wusste, dass es eine unvergessliche Woche werden würde. Jamie, Thorsten und ich verstanden uns super, wir hatten einen ähnlichen Laufrhythmus, mit Thomas direkt unseren ersten Mitläufer und genossen es von Beginn an die Taunus-Trails zu rocken. Es ist bei uns einfach SO SCHÖÖÖN. Im Laufe der Woche übernahmen die Endorphine immer mehr das Kommando und wir wurden des Öfteren von unkontrollierten Lachanfällen durchgeschüttelt. Unsere Gastläufer haben das alberne Gegickel (mehr oder weniger) heldenhaft ertragen und sich vermutlich ihren Teil dabei gedacht…Vaunus-Gespräche halt. Wir wurden immer verplanter, was auch schon mal dazu führte, dass wir ausversehen 2x über den Altkönig gelaufen sind und uns gegenseitig gefragt haben, ob wir da jetzt wirklich gerade zum zweiten Mal oben stehen. Aber gut, konnte man nochmal die tolle Aussicht genießen und sich kurz ins Gras legen und ausruhen – es ist immer so schön, wie man es sich macht. Allerdings ist es echt unglaublich, wie verpeilt man sein kann. Irgendwann ist einfach die Konzentration völlig weg und bleibt auch zwischen den Läufen verschwunden – Synapsenfasching. Die lustige Verplantheit ist auf jeden Fall einer der Faktoren, die ich total unterschätzt habe. Auf dem Trail ist das natürlich nicht so gut und dementsprechend hat es mich auch einmal ordentlich hingelegt. Ist aber zum Glück nichts Schlimmes passiert.

Neben den Hochs gab es auch immer mal wieder Abschnitte, die anstrengend waren. Dann war es allerdings gleich unfassbar anstrengend und ich hatte ordentlich zu kämpfen. Da machten sich dann die vielen Kilometer mit den vielen Höhenmetern bemerkbar. Zum Glück dauerte es aber nie lange, bis ich wieder in ein gutes Laufgefühl zurückfand. Wobei auch die Anstrengung natürlich ihren Reiz hat und ja auch einfach dazugehört. Allerdings bin ich nach wie vor überrascht, dass es die meiste Zeit super fluffig und unfassbar gut lief 😀 Ist schon der Wahnsinn, was der Körper leisten kann wenn der Kopf stimmt.

Was bleibt so kurz nach dem Projekt? Die leichte Überdrehtheit und lustige Verplantheit ist einem Gefühl der Zufriedenheit und des Glücks gewichen. Ich bin total happy, dass die Woche so toll war. Vielen Dank an jeden Einzelnen, der uns unterstützt hat. Jamie und Thorsten – es war ein Fest mit euch! Und: Laufen macht mir einfach unendlich viel Spaß 🙂

Auch Thorsten hat etwas zu erzählen:

„Wer den Taunus von seiner schönsten Seite kennenlernen möchte, muss mit dem OCR Frankfurt laufen.“ So lässt sich meine Lauferfahrung der letzen Woche wohl am besten zusammenfassen.

Fordernde Läufe, die uns zu allen Gipfeln rund um die Hohemark führten und uns unvergessliche Bilder bescherten. Die Unterhaltung kam natürlich durch die regelmäßige Begleitung unserer Gastläufer auch nicht zu kurz, wofür ich mich an dieser Stelle auch nochmal recht herzlich bedanken möchte.

Aber wie kam ich jetzt eigentlich zu dieser Ehre bei dem Projekt zwei erfahrener Ultratrailmädels mitmachen zu dürfen? Naja, da hatte ich doch mal bei einer samstäglichen Morgenrunde den Wunsch geäußert die Marathondistanz zu knacken … Schwups … Am gleichen Tag war ich für den Pfalztrail über die 85,6 km / 2500 Hm Distanz angemeldet.

Da kam das Projekt, das ich zu Anfang für ein normales Ultratrailtrainingsprogramm hielt, genau recht. Den Wahnsinn des ganzen sollte ich noch früh genug erkennen. Doch dank Tipps im Vorfeld, einiger Recherchen und Anschaffungen in Ausrüstung sowie Literatur gepaart mit dem ersten Doppel- sowie Triplepaket im läuferischen Sinn war eine geeignete Vorbereitung auf das Projekt gewährleistet.

Auch wenn die Trails oft fordernd waren, der Spaß kam nie zu kurz. Und dank derPflanzenpowerregenerationssmoothies hielten die Beine jeden Tag aufs Neue den Strapazen stand. In dem Sinne freue ich mich wieder mit „EsThier Unbreakable“ sowie der „Jamie der Amazone“ und natürlich mit allen liebgewonnenen OCRlern laufen zu gehen.

 

— Jamie

11 Gedanken zu “Vaunus 7/30

  1. Hallo Jamie,

    mein Name ist Wolfgang. Ich komme aus Schwalbach und laufe auch öfters im Taunus (Staufen bei Kelkheim, Altkönig, Großer Feldberg), manchmal auch sehr lange Strecken, aber noch nie so viele km in einer Woche. Dein Bericht ist sehr fein und macht Lust, das auch mal auszuprobieren. Genial!

    Liebe Grüße
    Wolfgang

    1. Hi Wolfgang,

      dann bist du ja gar nicht mal so weit entfernt. Kelkheim hatte ich bisher auch noch nicht ausgekundschaftet, könnte ich mal auf meine ToDo Liste schreiben 😉

      Ich bin bisher auch nie über 105km in der Woche gelaufen, das war absolute Premiere und ich hatte keine Ahnung wie es ausgehen würde. Bis auf aktuell ein paar muskuläre Probleme und eine bleierne Müdigkeit war das wirklich ein geglücktes Projekt. Es zeigt einem auf jeden Fall was möglich ist, macht den Kopf mehr als nur frei, treibt einen aber auch an die Grenzen. Ich konnte es jeden Tag aufs Neue nicht fassen, dass uns das Laufen quasi nur ein paar Stunden direkt wieder möglich war.

      Ich denke, wenn man in der Lage ist einen Ultra zu laufen, der bedeutend länger ist als 30km dann kann man so eine Woche auch mal wegstecken 🙂

      Viele Grüße,
      Jamie

  2. Immer wieder habe ich schon tolle Eindrücke vom Taunus durch die Blogger Community vernommen. Eine herrliche Region und schön, auch hier auf deiner Seite mehr darüber zu erfahren. Aber unglaublich ist ja eure Leistung. Was ihr da weggelaufen habt. Klasse, dass du auch die Mitläufer zu Wort kommen lässt. Die Eindrücke von ihnen sind ebenfalls sehr interessant.

    Am meisten beeindrucken mich ja die Höhenmeter. Echt super. Da habt ihr euch die ein oder andere herrliche Aussicht so richtig verdient.

    Aber sag mal, steht da echt ein Glastisch?

    1. Ja der liebe Taunus..bin sehr froh so nah dran zu wohnen, es trennen mich gerade mal 5km vom Wald bzw ersten Berg, das ist ein unbeschreiblicher Luxus.. Falls es dich mal aus irgendwelchen Gründen zu uns in die Nähe verschlägt musst du unbedingt einfach mal mitlaufen 🙂

      Danke für deine Worte – ich konnte es teilweise selbst nicht fassen was diese Kilometer eigentlich bedeuten – bzw klar, die Höhenmeter machen die Musik und auch der Untergrund kann einem ganz schön die Energie ziehen. Es gibt hier ganz großartige Spots für die man noch nicht mal so ewig laufen muss.

      Und ja, der Glastisch steht da wirklich und drin sind ganz viele bunte Glassteine 😀

  3. Hallo Jamie,

    erstmal muss ich dir sagen, ich finde deinen Blog klasse. Bin durch zufall hier gelandet. Hatte mal überlegt den KUT zu laufen. Passt leider terminlich nicht zur Zeit. Bereite mich grad auf meinen ersten Ultra vor. Komm leider eher aus dem flachen Ruhrpott und der Ultra wird auf dem Neanderland Steig im Bergischen Land stattfinden. Ich habe mir überlegt in der Vorbereitung ein Tag mal in den Taunus zufahren und dort eine Strecke zu laufen. Welche von diesen kannst du mir empfehlen? Würde gerne beide Feldberge und Altkönig einschliessen. Auch Weiße Mauer gerne. MIt ein bisschen Abänderung würde ich die Stecke vom Final Tag nehmen.

    Liebe Grüße
    Dennis

    1. Hallo Dennis,
      danke für dein Lob! Den K-UT kann ich dir wirklich empfehlen, er ist hart aber wortwörtlich herzlich (und war zudem mein erster Ultra).
      Den Neanderland Steig kenne ich noch gar nicht, ist das ein Etappenlauf oder wie viele Kilometer wirst du laufen? Es ist mit Sicherheit nicht verkehrt, sich unter realistischen Bedingungen auf so einen Lauf vorzubereiten. Der Taunus ist in der Tat ein super Trainingslager! Über den „kleinen Feldberg“ kommt man fast automatisch, wenn man den richtigen Weg einschlägt. Das ist aber eigentlich kein richtiger Berg mit Spot wie es der Altkönig oder Feldberg ist. Die weiße Mauer ist auch nur ein Schlenker zum Altkönig, aber sehr sehr schön und technisch. Kann dir auch den großen Zacken empfehlen – vielleicht kannst du dir ja was über Gpsies zusammenklicken: Weiße Mauer – Altkönig – Großer Zacken – kleiner Feldberg – großer Feldberg oder so ähnlich 🙂
      Gruß von den Taunustrails,
      Jamie

      1. Der Neanderland Steig ist ein Rundwanderweg durch das Neandertal unter anderem. Es ist ein privater Einladungsultra mit 4 Distanzen. Komplette Umrundung mit 240 km, 100 Meiler sowie 80 und 48 km. Ich starte in der kürzesten Distanz. Ich werde mir dann mal eine Strecke zusammenklicken und mir die Höhe mal anschauen.
        Gruß
        Dennis

      2. Danke für die Info – hört sich spannend an (werde ich mir mal näher anschauen) – wünsche dir viel Erfolg bei der Vorbereitung! Falls du noch Fragen bei der Streckenplanung hast lass es mich ruhig wissen 😉

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