Umverteilung.

603454_426739867365401_458111442_nDieses Wort schwirrt schon lange in meinem Kopf herum und ich dachte mir, langsam ist es an der Zeit meine Gedanken dazu zusammenzufassen und diese in einem Beitrag zu würdigen.

Ich denke, dass es ein großer Unterschied ist, ob man den Körper mit Sport oder Ernährungsphilosophien formt. Wenn so ein Thema aufgegriffen wird, hört man in der Regel oft „nur“ von Leuten die sich von dick zu sportlich transformiert haben, aber es gibt eigentlich keinen Vergleich von schlank zu sportlich schlank. Oder von geringem Gewicht zu mehr Gewicht aber weniger oder gleichbleibenden Umfängen.

Ich gehöre genau in diese Kategorie und das macht es dann irgendwie spannend, aber ich habe bisher nie Personen gefunden mit denen ich mich austauschen könnte. Worauf ich eigentlich hinaus möchte und was alles total im Widerspruch zueinander steht folgt jetzt: Seit Kindertagen an gehörte ich immer zu denen die eigentlich zu dünn waren (was ich aber bei Kindern als völlig normal, ja sogar als gesund empfinde). Ich war immer viel draußen, habe mich viel bewegt und hatte auch Freude an Bewegung. Zu meinen sportlichen Hobbys zählten das Reiten und ein Turnverein, später kam noch für 2 Jahre Ballett dazu.

Mein Essverhalten war sehr reguliert, ich aß nie viel aber grundsätzlich waren das meiste Kohlenhydrate und Obst und Gemüse kamen bis zu meinem 17. Lebensjahr nie an mich heran, da meine Eltern so ein Aufheben daraus machten und sich darauf versteiften, dass das Kind alles essen sollte, was auf den Tisch kam. Daraus resultierte eine Abneigung gegen alles was gesund gewesen wäre, bis zum Brechreiz. Dennoch war ich niemals krank, es war immer alles in Ordnung.

Man könnte jetzt vermuten, dass ich als Jugendliche deshalb in die Breite gegangen wäre. Dem war aber nicht so. Ich wuchs sehr schnell, war immer sehr groß, bewegte mich weiterhin viel und war tendenziell sogar noch dünner als der BMI gut geheißen hätte.Ich würde sagen, ich hatte ein normales, ausgeglichenes Pensum an Bewegung, was aber nie leistungsoptimiert war. Ich konnte essen was ich wollte und wog bei 1.70m gerade so 50 Kilo.

Als ich 17 war trennten sich meine Eltern, alles brach über mir zusammen und mein Alltag war schlagartig komplett anders: ich zog aus und konnte mein eigenes Leben leben. Ich hatte diesen Tag sehr lange schon herbei gesehnt, da ich familiär mein Leben lang nur am Verlieren war. Daraus entwickelte sich eine Posttraumatische Belastungsstörung, an der ich wahrscheinlich noch in alle Ewigkeit zu knabbern habe.

Aus dieser neuen Freiheit heraus überfiel mich eine Leere die ich nicht mehr tragen konnte. Ich hörte auf zu essen bis ich bei einem BMI von 14-15 war und fing dann schlagartig wieder an, denn mein Körper holte sich einfach was er brauchte. Gleichzeitig musste ich Schlaftabletten nehmen, ich schlief über mehrere Nächte kaum noch, über Wochen und Monate. Das ist leider bis heute so geblieben. Ab da hatte ich mein Körpergefühl vollständig verloren und fing an exzessiv darüber nachzudenken was ich aß, wie ich das in der Vergangenheit gehandhabt hatte und wie ich es vermeiden konnte einfach immer mehr zuzunehmen ohne dass ein Ende in Sicht war.

Diese Hysterie trieb mich zum Kalorienzählen, aber auch letzten Endes dazu, dass ich plötzlich wieder Gemüse und einige Obstsorten aß. Gleichzeitig stellte ich fest, dass ich allergisch gegen das meiste Obst bin und wahrscheinlich auch deshalb damals nie begeistert davon war.

Kurz gesagt: ab da war nichts mehr „normal“. Ich nahm zu und wieder ab, hungerte immer wieder, machte mich einfach nur kaputt. Mindestens 3-4 Jahre lang ging das so und ich hatte eigentlich nur den Wunsch, dass ich wieder zu dem zurückfinden könnte was ich vorher hatte. Mit ca. 5 Kilo mehr auf den Rippen und keinerlei Muskelmasse mehr, war ich das was manche passenderweise als „skinny fat“ bezeichnen würden. Insgesamt habe ich innerhalb von 15 Kilo hin und hergependelt.

Als ich anfing in Köln zu studieren, meldete ich mich in einem Fitnessstudio an. Ich hatte wieder unteres Normalgewicht, aber einfach nicht in Form. Auch wenn ich immer noch schlank war, mein Körper war nicht mehr fest und der KFA wahrscheinlich sehr viel höher, als ich das gewohnt war. Dass meine Maße nicht mehr die einer 14-Jährigen waren und wahrscheinlich auch nie wieder sein würden, war mir da dann auch klar.

Als ich das Thema Sport immer ernster nahm und zum Laufen kam, änderte sich mein Körper wieder ganz langsam und ich nahm sogar ab – hörte aber nie auf auf meine Ernährung zu achten. Mein Gewicht schwankte immer noch und es dauerte insgesamt Jahre bis ich keine Heißhungerattacken mehr hatte und mehr und mehr lockerer wurde.

Erst als ich auf meinen ersten HM hintrainierte sah ich das erste Mal in meinem Leben tatsächlich auch so aus und hatte wieder leichte Muskeln. Über die Zeit, also über bestimmt 3 Jahre zog ich mein Lauftraining immer weiter an und konnte mich so in Ausdauer und Kraft verbessern. Ich stellte auch fest, dass ich plötzlich keinen Vergleichswert mehr zu dem Körpergewicht hatte, was ich vor meiner Hobbysportler-Karriere hatte. Also fing ich an Maße zu nehmen und stellte fest, dass ich zwar durchschnittlich 2 Kilo schwerer war aber die gleichen Umfänge hatte als wäre ich 2 Kilo leichter. Das zeigte mir, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand.

Aktuell ist es jetzt sogar so, dass ich seitdem ich mein Training komplett umgekrempelt habe ich noch 2 Kilo mehr wiege, also um es in Zahlen zu sagen 58-59 Kilo, aber ich in alle meine Klamotten von vor 4 Jahren hineinpasse. Darüber hinaus ist meine Haut sozusagen überall viel dünner geworden, also weniger Körperfett und ich kann das erste Mal behaupten, dass meine Arme trainiert aussehen. Sprich: ich sehe das erste Mal nach dem Pensum aus, welches ich trainiere. Ich habe mich von den ganzen Zahlen entfernt, auch wenn ich mich manchmal noch dabei erwische, dass ich mich frage wie es sein kann bei 174cm so „viel“ zu wiegen und dennoch sehr schmal zu sein. Meine Mutter sprach mich letztens darauf an, ob ich wieder abgenommen hätte, obwohl das Gegenteil der Fall war.

In letzter Zeit kann ich richtig zugucken wie mein Körper sich verändert, was fast schon ein bisschen unheimlich ist. Ich achte nach wie vor sehr darauf was ich esse, aber bin nicht mehr so versklavt. Es fällt ja auch wortwörtlich nicht mehr so ins Gewicht, egal was ich esse, am Ende gleicht es sich immer wieder aus. Ich passe sogar in Hosen die mir mit 4 Kilo leichter etwas zu eng waren. Das Ganze ist schon faszinierend und bestärkt mich in dem was ich mache. Es fällt mir so viel leichter vernünftig zu essen, wenn ich merke wie mein Stoffwechsel auf Touren läuft und ich darüber hinaus genug Kraft habe um richtig Leistung zu bringen.

Das ganze tut auch der Psyche unheimlich gut. Ich hatte noch nie so viel Power, brauche sogar tendenziell 1-2 Stunden weniger Schlaf ohne dass ich mich müde fühlen würde. Mittlerweile fällt mir hochintensiver Sport unter der Woche auch gar nicht mehr so schwer, ich kann mich erinnern wie ich mich sonst durch den nächsten Tag schleppen musste – das ist einfach Vergangenheit (zumindest wenn man das große Ganze betrachtet).

Mich würde wirklich ernsthaft interessieren, was ihr in diesem Zusammenhang für Erfahrungen gemacht habt. Vor allem, weil es ein großer Unterschied ist, ob man ein Mann oder eine Frau ist.

— Jamie

2 Gedanken zu “Umverteilung.

  1. Dein Bericht freut mich, Du scheinst auf einem guten Weg zu sein! 🙂
    Bei mir ist das ganz einfach: mache ich Sport nehme ich ab (auch weil ich Hunger auf gesunde Sachen habe) – mache ich keinen Sport nehme ich zu (weil ich die Finger nicht vom Süßkram lassen kann).
    🙂

    1. Heydu,
      danke dir für deinen Kommentar und natürlich auch fürs Folgen!
      Da sagst du was Wahres..Sport killt manchmal den (übermäßigen) Hunger. Manchmal aber auch nicht – aber dann gleicht es wenigstens aus 🙂

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