Unterwegs auf den Herbsttrails (Bad Orb im Spessart)

Wie angekündigt kommt hier der leicht verspätete Blog zum Biken in anderen Gefilden. Irgendwann ist der Taunus halt durchgelutscht und es dürstet nach einer Erweiterung der Ortskenntnisse. Leider konnten wir nicht alle Beteiligten aus der Gruppe überzeugen – um genau zu sein belief es sich dabei nur auf Christian und mich.

Pünktlich zur Winterzeit (und übrigens zum Frankfurt Marathon) trafen wir uns um halb 8 in Frankfurt, um in einem Auto weiterzufahren. Denn eigentlich wäre es ja erst 8:30 Uhr gewesen, also war das zu verkraften. Einen Tag vorher schraubte ich zusammen mit meinem Vater endlich die Shimano XT an mein MTB – Bremsversagen hat nun keine Chance mehr! Das wollte natürlich getestet werden. Und auf geplanten 65km war das ein Leichtes.

Gut gelaunt packten wir Mojo und das abmontierte Vorderrad in das andere Auto und fuhren durch tief hängende Nebelschwaden nach Bad Orb, was ziemlich zügig ging. Jetzt lese man nochmal meinen vorigen Satz, Teil a und überlege was wir nicht mit eingepackt hatten. Ja richtig: ohne Steckachse darf man versuchen Einrad zu fahren oder findet einen passenden Stock. Ich dachte ich werde wahnsinnig. Meine Blödheit war mir so unbegreiflich, dass ich mich am liebsten selbst verhauen hätte. Das bedeutete, wir mussten zurück. Definitiv. Ich habe bisher noch nie etwas verloren oder unbedacht liegen gelassen. Eigentlich kann das nur eines bedeuten: ich werde alt. Schließlich kann man seit neustem behaupten, ich gehe auf die 30 zu. Oh Schreck 😉

Also das gleiche Spiel nochmal. Zurück auf den Parkplatz, den Kofferraum aufgemacht und mir sprang die Achse direkt in die Arme. Nicht auszuhalten. 40 Minuten verloren, mindestens. Aber wenigstens lichtete sich der Nebel. Pünktlich zum Aufsatteln bekam ich auch schon wieder Hunger, aber diesmal hatte ich mir wieder ein Pülverchen ins Wasser gerührt und einen Riegel dabei – und das hat mich letzten Endes gerettet, zwar knapp, aber gerettet.

500 Meter weiter (der erste Anstieg kam in Sicht): ich schaltete und es machte ratsch und bumm – meine Kette hatte sich soeben entschlossen den Abgang zu machen. Und als wäre das nicht schon genug, hatte sie sich noch bis zur Unkenntlichkeit verknotet. Hatte ich noch nie gesehen. Christian auch nicht. Die ansässigen Spaziergänger übrigens auch nicht. Also Mojo auf den Kopf gedreht und mit zwanzig kalten Fingern in der Kette rumgepult. Ein netter Herr mit Hund meinte, wenn wir in 10 Minuten immer noch da seien, würde er uns mit Werkzeug zu Hilfe eilen. Zum Glück mussten wir darauf dann doch nicht zurückgreifen und es konnte tatsächlich mal los gehen.

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Leicht eingefroren eroberten wir die ersten Berge und dann wurde es auch endlich wieder warm. Das Höhenprofil war ein gemeines, aber durchaus effektives: gleich zu Beginn hoch und höher, bergab, Berg, hinunter und zum Schluss wieder auf 460HM hinauf. Das bedeutete auch, dass es flache Strecken gar nicht gab, entweder das eine oder das andere. Ich bin ja sowieso immer eine derjenigen, die unauffällig folgt und ab und an mal einen zweiten prüfenden Blick auf den Garmin Pfeil von Christian wirft, wenn es wieder darum geht, ob diese Einbuchtung zwischen den Bäumen tatsächlich der Eingang zu einem Trail ist.

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Alles lief erst einmal so wie immer: im Wald schraubten wir uns stetig mit relativ flotter Geschwindigkeit immer weiter nach oben, sogar Unterhaltungen waren noch möglich. Dann folgte der nächste Abschnitt – es ging abwärts. Erst über relativ befestigte Wege und Pfade, relativ dunstig und noch immer ohne Sonnenschein. Dann weiter auf wirklich sagenhaften Trails – buntes Herbstlaub und grünes Moos, herrliche Kontraste. Wären da nicht die glitschigen Wurzeln gewesen. Wenn man sich konzentrierte ging es einigermaßen, jedoch hätte Christian fast den Abgang gemacht und ab da war ich dann doch etwas verhaltener – ansonsten war ich sehr erstaunt, wie viel weniger Respekt ich hatte, als es sonst der Fall war. Um zurück zu den XT Bremsen zu kommen: so eine Griffigkeit durfte ich bisher noch nicht erleben, daher wahrscheinlich der untypische Mut.

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Unten angekommen, zeigte Garmin plötzlich eine andere Tour an, die sich mit dieser überschnitt und wir mussten einige Minuten rätseln, in welche Richtung es weiter gehen sollte. Als das geklärt war, kam auch bald der erste Stop, nach genau 25km rasteten wir kurz an einer Stelle mit Panorama, Kühen und einer Bank. Da war noch alles relativ frisch. Powerbar und Seitenbacher mussten nun zeigen was sie für uns noch tun konnten.

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Zumindest soviel, dass wir auch noch die zweite Etappe der Anstiege packten und ich sogar aufdrehte und Christian irgendwo hinter mir ließ. Es gab die langen Dinger, die scheinbar endlos einfach nur nach oben führten, dann wieder die kleinen gemeinen, die einfach plötzlich rechts oder links auf einen kurzen aber knackig steilen Trail führten, den man gerade noch so fahren konnte. Es war also wirklich alles dabei: Waldautobahnen, Feldwege, Wiese, Trails, Wurzeln, Laub, Steine, Schotter – alles. Achja und Brücken. Denn immer wenn wir einen Teil des Waldes verließen, mussten wir kurz durch eines der kleinen Dörfer. Diese sahen aus wie gemalt und hatten einen Bach der direkt hindurchführte und mit Holz gerahmt war. Und bei einer Überquerung tauchte dann natürlich die dazugehörige Brücke auf. Klein, mit rot braunem Holz. So idyllisch und liebevoll, dass wir nicht bedachten, was Nässe und feuchte Luft alles anrichten können.

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Wie sooft, gehen die Dinge meistens zwei Mal gut. So auch hier. Ein weiterer Klassiker: Christian mit viel Schwung rechts um die Kurve, rauf auf die Brücke, kommt ins Schlittern, trennt sich in der Luft nur halb von seinem Bike und landet bäuchlings über dem Brückengeländer. Ein Fuß in der Luft, der linke noch eingeklickt im Pedal und das MTB beinahe freischwebend dazwischen. Wenn ich jetzt nur darüber im Stillen nachdenke, fange ich schon wieder bösartig an zu lachen. Man das sah aber auch gut aus. Einfach nur top!

Wieder im Wald wurden mir plötzlich die Beine schwer. Ich kippte immer schön in regelmäßigen Abständen mein angerührtes Wässerchen in mich hinein, aber das machte meine Beine auch nicht viel leichter. Nach 50km sollte ich Christian an seine Banane erinnern und das tat ich zu dem Zeitpunkt wirklich gerne. Der Untergrund war zu 80% so tief, dass er uns jegliche Reserven aus den Körpern zog. Man könnte wirklich meinen, dass das gemein und echt anstrengend war. Trails bergauf zu fahren ist sowieso schon herausfordernder, als wenn man die gleiche Steigung auf einer glatten Straße fährt. Ich freue mich ja meist über erschwerte Umstände (manchmal auch erst hinterher), aber an diesem Punkt saß ich auf einer bemoosten Wurzel und schlug mir auf die Oberschenkelmuskeln und schimpfte bitter auf meine Beine ein, sie müssten jetzt doch bitte noch etwas performen. Als ich damit fertig war, wanderte mein Blick zu zwei Waldpilzschönheiten direkt neben mir und die Welt erschien mir für den Moment wieder in Ordnung.

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Weiter gefahren. Der nächste Anstieg kam sogleich. Alle machten „Uhhhohhh…“ und dann war Stille. Zur Entschädigung kam ein Trail der mir so einen Spaß bereitete wie noch nie zuvor. Und nein, es war kein einfacher Flowtrail 😀

Als wir dann alle gesammelten Höhenmeter wieder herunterfuhren, gab Christian mir am niedrigsten Punkt die Auskunft, dass jetzt nochmal ein paar Körner investiert werden mussten, denn wir mussten ja wieder auf 460HM hinauf. Von ganz knappen 200HM. Und es wäre weitaus einfacher zu ertragen gewesen, wenn wir die einfach in einem Stück hätten abfrühstücken können. Aber nein. Es ging hoch, kurz steil herunter, wieder hoch..und ja ihr kennt ja diese Spielchen. Ich schaute irgendwann nur noch auf die Anzeige der Höhenmeter meiner Garmin: 350, 365, 340. Und dann als wir schon bei 400 waren dauerte es gefühlte Ewigkeiten, bis wir tatsächlich die 460HM erreichten. Meine Beine waren so ausgezerrt, dass ich sie am liebsten einfach im Spessart gelassen hätte.

Ein letzter Trail bergab..und dann wieder auf gleichem Weg hinauf, denn wir waren falsch abgebogen. Ich war vorne, kam oben an und Christian war weg. Und ich hatte keine Ahnung wohin genau, denn es gab sehr viele Möglichkeiten. Ich fuhr etwas hin und her, bis ich ihn anrief. Das Ende vom Lied war, dass wir uns nicht mehr fanden und gesondert zum Auto finden mussten. Ich ohne Garmin Navi – aber ich bin ja alleine groß 😀

Nach 68km und fast 1600HM, 2200kcal und etwa fünf Stunden Fahrtzeit, standen wir endlich total Schlamm und Dreck verseucht am Auto. Von den Bikes bröckelte der Dreck bereits ins Auto. Wir zwei selbst stanken wie nasse Füchse. Und ja, wir wollten tatsächlich nur nach Hause. Die Steckachse übrigens auch 😉

–Jamie

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